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Leistungsschau für ganz Afrika

Von Klaus Huhold

Politik

Moderne Infrastruktur neben starker Armut. | Proteste in Townships rund um Weltmeisterschaft. | Johannesburg/Wien. Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß ist nicht gerade für diplomatische Aussagen bekannt. Und so verhielt es sich auch bei seinen Meldungen zur Fußball-WM in Südafrika. "Ich fahre dort nicht hin", machte er unmissverständlich klar. Und er bezeichnete die WM-Vergabe an Südafrika als "eine der größten Fehlenentscheidungen". Hoeneß begründete seine Meinung vor allem mit Sicherheitsbedenken.


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Hoeneß ist kein Einzelfall, seit der Vergabe des Turniers tauchen immer wieder skeptische Stimmen auf. Vor allem in westlichen Medien wurde die hohe Kriminalitätsrate ins Feld geführt oder auch die Frage gestellt, ob Südafrika überhaupt in der Lage ist, ein derartiges Großturnier zu stemmen.

Das Kriminalitätsproblem lässt sich bei rund 50 Morden am Tag tatsächlich nicht wegleugnen. Doch haben die Veranstalter massiv in die Sicherheit investiert und etwa zehntausende Polizisten neu angestellt.

Was sonstige Bedenken betrifft, hat Südafrika seine Kritiker zum Teil schon Lügen gestraft. So wurden die Stadien früher fertig, als dies bei der WM 1990 in Italien der Fall war. Zudem wurde massiv in die Infrastruktur, etwa den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, investiert.

Südafrika will es seinen Skeptiker zeigen. Die WM ist auch eine Leistungsschau, wozu das Land fähig ist, 16 Jahre nachdem die einstige Anti-Apartheidsbewegung ANC die Macht übernommen hat.

Und die Regierung hat immer wieder betont, dass sie die Leistungsfähigkeit eines ganzen Kontinents unter Beweis stellen will, dass sie die WM stellvertretend für ganz Afrika ausrichtet. Im Hintergrund steckt dabei der Gedanke der afrikanischen Renaissance - der Selbsterneuerung Afrikas aus eigener Kraft -, als deren geistiger Vater Südafrikas Ex-Präsident Thabo Mbeki gilt.

Doch der Leistungsfähigkeit Südafrikas steht eine oft eklatante Armut gegenüber. Während in Durban ein glänzender, hochmoderner neuer Flughafen entstanden ist, leben in den Townships noch immer Millionen Menschen in Wellblechhütten, leiden unter der hohen Arbeitslosigkeit, die nach offiziellen Zahlen etwa 25 Prozent beträgt.

Und die vom Wohlstand Ausgeschlossenen protestieren - gerade auch jetzt rund um die WM. Die Demonstrationen drehen sich dabei meistens um alltägliche Lebensbedingungen. In dem Township Khayelitsha in Kapstadt entzündet sich der Zorn der Bewohner etwa an mangelnden sanitären Einrichtungen.

"Das zeigt, dass Spiele nicht alles überdecken können, wenn nicht genügend Brot da ist", sagt der Historiker Walter Sauer. Und der Vorsitzende des Dokumentationszentrums Südliches Afrika führt einen zweiten Punkt an: Nicht nur das glänzende Südafrika will sich präsentieren, auch die Armen wollen die Blicke der Welt auf das Land nutzen, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen.

Grabenkämpfe im ANC

Die Armutsbekämpfung war das große Versprechen von Präsident Jacob Zuma und seines ANC, der die Wahlen 2009 mit mehr als 60 Prozent gewann. Doch welcher Weg dabei eingeschlagen werden soll, darüber ist sich der ANC nicht einig.

Zuma selbst wird eher dem linken Flügel zugeordnet, und dieser liefert sich heftige Grabenkämpfe mit den Vertretern einer neoliberalen Politik. Der Streit werde im Moment durch die WM in den Hintergrund gedrängt, berichtet Sauer. Doch nach der WM würde er wohl wieder verstärkt in der öffentlichen Wahrnehmung aufflammen und der ANC seine Strategie festlegen müssen.

Der Volkstribun Zuma könnte nach der WM jedenfalls gestärkt in diesen Streit gehen - vor allem, wenn das südafrikanische Team erfolgreich spielt. Denn ein Lächeln beim Torjubel, während sich die ganze Nation in den Armen liegt - das hat noch nie der Popularität eines Staatschefs geschadet.