FMA-Streit: Wirtschaftskammer-Boss schlüpft in die Rolle des Mediators.
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Wien. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl bekommt am Donnerstagvormittag Besuch aus dem Waldviertel. Auf Einladung Leitls reist der Schremser Schuhfabrikant Heinrich Staudinger in die Bundeshauptstadt. "Wir wollen ihn nicht im Regen stehen lassen", hieß es am Dienstag aus der Wirtschaftskammer.
Staudinger hat sich den Unmut der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) zugezogen. Ihm drohen saftige Geldstrafen, weil er aus deren Sicht wie eine Bank agiert, ohne dafür die Lizenz zu haben. Zur Finanzierung seines Betriebes GEA hat er bei knapp 300 Privatpersonen mehr als drei Millionen Euro eingesammelt und im Gegenzug Zinszahlungen versprochen.
Für die FMA ist der Fall klar. Nicht so für Staudinger: "Wir sind keine Bank, wir machen Schuhe und Matratzen." Leitl übernimmt in dem Streit nun die Rolle des Mediators. Kritik und Sorgen des GEA-Chefs will er am Donnerstag mit diesem persönlich besprechen. "Wir werden Vorschläge machen, wie Herr Staudinger sein alternatives Finanzierungsmodell legalisieren kann", sagt Leitls Sprecher Rupert Haberson. Ziel müsse eine "kostengünstige und unbürokratische Lösung" sein. In Frage kämen etwa Anleihen, stille Beteiligungen oder ein Genossenschaftsmodell, so Haberson.
Kampf gegen Windmühlen?
Nichts anderes haben die Finanzaufseher Staudinger freilich auch schon bisher nahegelegt - jedoch ohne Erfolg. Ob Leitl bei dem rebellischen Unternehmer mehr erreicht, ist deshalb alles andere als gewiss.
Denn Staudinger hat erst kürzlich angekündigt, nicht daran zu denken, etwas an seinem bankunabhängigen Finanzierungsmodell zu ändern. Mit zahlreichen Solidaritätsbekundungen im Rücken will er nun sogar das Parlament zu einer Novellierung des Bankwesengesetzes bewegen - über eine Bürgerinitiative - und im Fall eines Strafbescheides das Höchstgericht einschalten.
So wie Staudinger haben (und hatten) auch etliche Biohöfe, Solarinitiativen auf Gemeindeebene und NGOs Sträuße mit der FMA auszufechten, weil sie sich - unabhängig von Banken - über Gelder von Privatpersonen finanzieren. Diesem sogenannten Crowdfunding will Leitl künftig ein legales Fundament verschaffen, damit auch jene Unternehmen an Finanzierungen herankommen, die von den Banken infolge ihrer strengeren Regulierung ignoriert werden. Ab Jänner soll eine Expertengruppe Konzepte aufstellen. Haberson: "Wir werden auch Herrn Staudinger und andere Betroffene bitten, sich da einzubringen."
Und was sagen die Banken zum Thema Crowdfunding? Bank-Austria-Chef Willibald Cernko etwa meint: "Kleinanlegern sollte bewusst sein, dass ein solches Investment ein deutlich höheres Risiko als klassische Spareinlagen mit gesetzlicher Einlagensicherung bedeutet. Wir begrüßen daher Initiativen, die das Ziel haben, hier Rechtssicherheit sowohl für Anleger als auch für Unternehmen zu schaffen." Für Thomas Uher, den Österreich-Chef der Erste Bank, ist Staudingers Idee "sehr ambitioniert, aber auch problematisch": "Dem Geldgeber muss klar sein, dass es bei dieser Form von Bürgerbeteiligung keine Einlagensicherung gibt und es zu einem Totalverlust kommen kann."