Anlässlich der gestrigen Eröffnung des 14. Österreichischen Juristentages in Wien formulierte der designierte Wirtschaftskammer-Präsident und Landeshauptmann-Stellvertreter von Oberösterreich Christoph Leitl seine Vorstellungen für eine erfolgreiche Zukunft der österreichischen Wirtschaft. Der Kongress mit mehr als 350 Teilnehmern aus dem In- und Ausland dauert noch bis einschließlich Freitag.
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"Die Bundesfinanzen brauchen Überschüsse," zeigte sich Leitl überzeugt, "wir müssen in fünf Jahren den Haushalt in Ordnung gebracht haben." Ansonsten würde das Geld in Bereichen fehlen, die für die Zukunft des Landes entscheidend seien. Wie zum Beispiel Bildung und Technologie.
Weiters sei es notwendig, die Risikobereitschaft im Land zu erhöhen. Während europaweit 12% der Erwerbstätigen selbständige Unternehmer seien, gingen in Österreich nur 6% einer selbständigen Tätigkeit nach.
"Politik, Wirtschaft und Recht müssen zusammenwirken, um für künftige Entwicklungen gerüstet zu sein," meinte Leitl vor den versammelten Rechtsgelehrten. Es gelte, die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Österreich in einer globalisierten Ökonomie zu schaffen.
Unis aus bürokratischem Korsett befreien
"Gängige Klischeebilder im Verhältnis Ökonomie und Rechtswissenschaft" sollten in einem vernünftigen Dialog, wie ihn der Juristentag bietet, beigelegt werden, um für künftige Entwicklungen gerüstet zu sein.
Leitl ortet "sehr großen Nachholbedarf" beim Dialog zwischen Universitäten und Unternehmen. Die Bildungsinstitutionen müssten "aus ihrem bürokratischen Korsett" befreit werden, gab sich Leitl kämpferisch. Noch immer würden Lehrer für zehn Jahre im vorhinein ausgebildet, während es an Computerspezialisten und Programmierern mangelte.
Positives verspricht sich Leitl von einem Umbau der Verwaltung in einen modernen Dienstleistungsbetrieb: Moderne Führungsprinzipien, mehr Eigenverantwortung, leistungsgerechte Entlohnung, außerdem eine Konzentration und Vereinfachung der Verfahren. Als Beispiel für eine funktionierende Verwaltung führte Leitl das Land Oberöstereich an. Dort sei es gelungen, die Zeit für eine Firmenzulassung von ursprünglich 36 Monaten auf sechs Wochen zu reduzieren.
"Österreich braucht klar und einfach formulierte Gesetze" , hob Leitl außerdem hervor.
Benn-Ibler: Wo die Politik überfordert ist
Nach Meinung von Juristentags-Präsident Gerhard Benn-Ibler, ist die Politik überfordert, wenn es darum geht die europäische Rechtsordnung kritisch zu hinterfragen. "Die Juristen sind berufen mitzuwirken, ihre Erfahrung einzubringen und durchzusetzen, wenn es den Interessen Europas dient," erklärte Benn-Ibler in seiner Begrüßungsrede.
Als "virtueller Präsident" des Europäischen Juristentages, "ohne Vollmachten und ohne Gefolgschaft", präsentierte sich Hans-Jürgen Rabe, der die Festveranstaltung nützte, eine Einladung zum ersten Europäischen Juristentag in Nürnberg, im September 2001, auszusprechen.
Heinz Frommelt, der Justizminister des Fürstentums Liechtenstein unterstrich die Bedeutung einer internationalen Zusammenarbeit auf rechtlicher Ebene, insbesondere im Bereich der Bekämpfung der internationalen Kriminalität. Der Staatssekretär im deutschen Bundesministerium der Justiz, Hansjörg Geiger, zeigte sich in seiner Begrüßungsrede erfreut über diese Ankündigung.
Böhmdorfer kritisiert Sanktionen der EU-Staaten
Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) verwies auf die große Bedeutung des EU-Rechts für den innerstaatlichen Bereich und kritisierte in diesem Zusammenhang neuerlich die - nach einem Gutachten von Uni-Professor Günther Winkler - EU-rechtswidrigen Sanktionen der EU-Mitgliedsländer gegen Österreich.
Die 14 hätten ungeachtet ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der Grundwerte von Freiheit, Demokratie, Menschenrechten, Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit "über Österreich ein so genanntes Statement verhängt und in der Folge auch vollzogen", meinte Böhmdorfer. "Daraus entstand ohne erkennbare Berechtigung eine problematische Situation für Österreich und seine Bevölkerung."
Laut Winklers Gutachten liege die Rechtsverletzung darin, durch das "Statement" im "Widerspruch zu den Bestimmungen und dem Geist der zitierten Verträge auf die Regierungsbildung eines Mitgliedsstaates Einfluss zu nehmen", so Böhmdorfer. "Die Jurisprudenz soll nicht tatenlos zusehen", es bedürfe, so Böhmdorfer weiter, der Zivilcourage, mahnende Worte auszusprechen.