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Lektionen aus der griechischen Tragödie

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer war Board Director in der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Warum gibt es in der Eurogruppe nicht wirklich eine tiefer gehende Diskussion über das Scheitern der bisherigen Wirtschaftspolitik?


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In den Auseinandersetzungen um das Hilfsprogramm für Griechenland nervte der griechische Finanzminister offenbar seine Kollegen in der Eurogruppe mindestens doppelt: Einerseits verlangte er eine europäische Schuldenkonferenz, mit der die Schuldenprobleme der gesamten Eurogruppe diskutiert (und vielleicht "gelöst") werden sollten, andererseits wollte er mithilfe der ursprünglichen Zurückweisung der Bedingungen des Memorandums, das frühere griechische Regierungen mit EU-Kommission, EZB und IWF vereinbart hatten, eine Änderung der EU-Wirtschaftspolitik erreichen (weg von der Sparpolitik hin zu einer Wachstumspolitik). Darüber hinaus hielt er seinen Kollegen einen von diesen nicht goutierten längeren Vortrag über Wirtschaftspolitik (man erinnere sich an den früheren deutschen Finanzminister Oskar Lafontaine in ähnlicher Rolle).

Die versammelte Macht der Eurogruppe ließ ihn weitgehend abblitzen und zeigte ihm, wo der Bartl den Most holt. Als wichtigste Konzession gewann er einen viermonatigen Aufschub und für heuer eine Reduzierung des verlangten Primärüberschusses. Offenbar wollte sich die übrige Eurogruppe nicht von einem Mini-Land, das Hilfe braucht, vorführen lassen. Zwar streckte die EU-Kommission gleichzeitig den Zeitraum zur Erreichung des heiligen Nulldefizits für Frankreich nochmals und sieht dies und die griechische "Konzession" offenbar schon als ausreichend an, die manifesten Fehler der europäischen Krisenbewältigung korrigiert zu haben.

Frage: Warum gibt es in der Eurogruppe nicht wirklich eine tiefer gehende Diskussion über das Scheitern der bisherigen Wirtschaftspolitik (Budgetkonsolidierung mit Strukturreformen), die in den Krisenländern die Arbeitslosigkeit, die Schulden und die Armut hochgetrieben haben - und in den Nordländern kaum Wachstum erzeugen?

Ich sehe da zwei mögliche Ursachen.

Erstens: Jede signifikante Änderung der wirtschaftspolitischen Ausrichtung könnte so interpretiert werden, dass in der Vergangenheit einem falschen Modell gehuldigt wurde. Man müsste also Fehler zugeben - und da tun sich Institutionen, die kaum rechenschaftspflichtig sind, äußerst schwer. Zweitens: Es gibt offenbar Interessengruppen, die von der derzeitigen Situation profitieren. Das mögen jene sein, die jetzt billig in den Krisenländern oder anderswo Vermögenswerte aufkaufen können; jene, die sichere, gutbezahlte Jobs haben; und jene (vor allem Politiker), deren Machterhalt auf der Aufrechterhaltung des Paradigmas beruht - alles in allem eine gewaltige Lobbying-Macht.

Die Beamten, die diese Politikrichtung formulieren und umsetzen, sehen nie das Elend jener, die Fehler vorheriger Regierungen ausbaden müssen. Sie setzen Abkommen und Regeln um, statt Inhalte und deren Folgen auf die Bevölkerung, den sozialen Zusammenhalt und die politische Stabilität zu überprüfen.

Daher muss - abseits aller wahltaktischer Überlegungen - eine effektive Wachstumspolitik in der EU her. Dabei müssen EU-Kommission, Rat und Parlament alle Kräfte unterstützen, die wirkliche Reformen durchsetzen wollen, die das Netzwerk der einander bedienenden Oligarchen durchbrechen, die Steuermoral heben und öffentliche Dienstleistungen mit Effizienz wiederherstellen wollen. Das hieße: Lektion gelernt.