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Einerseits hat Klaus Schulz, der Moderator der Ö1-"Jazztime", eine schöne, raue Männerstimme, die nach Tabakrauch und Whisky klingt und eine gewisse Jazzklub-Atmosphäre in die Wohnstube bringt. Andererseits aber redete diese Stimme am Dienstagabend sehr unkonzentriert. Viele Versprecher störten den Redefluss, langes Zögern zwischen den Wörtern hinterließ den Eindruck, der Moderator sei nicht ganz bei der Sache. Das englische Vokabel "subconsciously" kam Schulz erst beim zweiten Anlauf korrekt über die Lippen, und als er am Ende eines Stücks nach Manier der Jazzer "Wow!" ausrief, klang es, als hätte er zu bellen versucht: Wau!
Trotzdem war diese "Jazztime" ein erfreuliches Ereignis. Wäre er nicht 1978 schon gestorben, würde der Pianist Lennie Tristano am 19. März seinen 85. Geburtstag feiern. "Jazztime" nutzte diesen Anlass, um den großen, blinden Musiker in Erinnerung zu rufen. Schulz präsentierte einerseits Aufnahmen mit Tristano - besonders schön: das elegant swingende Solo "It's you or no one" -, andererseits demonstrierte er, dass Tristanos "coole" Spielweise gerade auf europäische Jazzmusiker einen hörbaren Einfluss ausübte. Der Saxophonist Hans Koller, der Gitarrist Attila Zoller, die Pianistin Jutta Hipp und der Posaunist Albert Mangelsdorff wurden als Tristano-Fans präsentiert. Da sie ihr Vorbild nicht einfach imitierten, sondern seine Anregungen auf ihre Weise weiter fantasierten, war nur gute Musik zu hören am Dienstagabend. Dafür verzieh man dem Moderator schließlich auch seine sprachliche Nachlässigkeit.