Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nicht für die Schule lernen wir, sondern für das Leben. Ein Satz, der Generationen von Kindern als nicht sonderlich motivierendes Mantra durch ihre Lernjahre begleitet hat. Die subjektiv mitschwingende Portion Zynismus schwankte dabei wie der jugendlich galoppierende Hormonspiegel. Die Relevanz der vermittelten Lerninhalte für ein späteres Leben erschloss sich auch nach diesem Hinweis nicht. Die Einsicht, dass eine breite Allgemeinbildung in vielen Lebenslagen von durchaus unerwartetem Nutzen sein kann, gab erst Jahre später ihren Sinn preis. Wenn überhaupt. Gerade rechtzeitig zur Einschulung des eigenen Nachwuchses. Gerade zu spät, um den Satz an die nächste Generation weitergeben zu können. Nicht nur der Lehrplan hat sich verändert, Schule an sich hat sich gewandelt. Das Aufkommen der neoliberalen neuen Selbständigkeit, das Abfragen von Kompetenzen am Arbeitsmarkt, Schlagworte wie Team und Projekt sind nicht spurlos am Schulsystem vorübergegangen. Mit allen Vor- und Nachteilen, die sich aus diesen Entwicklungen für die Gesellschaft an sich ergeben.
Lernen funktioniert anders als vor dreißig Jahren. In der Reformpädagogik sowieso. Das Lernen von Buchstaben ist dem von Silben gewichen. Was schon wieder von Lernwörtern abgelöst wurde. Das erste dieser Lernwörter ist bei Schulanfängern 2017 bezeichnenderweise "Ich". Was sonst. Realitätsnahe Lebensvorbereitung der Generation Ich-AG. Gefolgt von "mag". Praxisorientierte Egozentrik-Einübung. Erst das dritte Lernwort gibt zarte Hinweise darauf, dass mit dem ersten Satz dann doch noch alles gut werden kann: "Ich mag Mama."