Ein Plädoyer gegen sinnlose Ankündigungspolitik und für bessere Schulung des politischen Personals.
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Als Bürgerin leide ich unter der Ankündigungspolitik staatlicher Führungskräfte: Mit meinen Aufmerksamkeitsressourcen wird dadurch ebenso verschwenderisch umgegangen wie mit den Engagementressourcen der Mitarbeiter und Führungskräfte in den betroffenen Vollzugsorganen und Organisationen.
Den utopischen Zielvorgaben folgen elendslange Widersprüche, die natürlich nicht unwidersprochen bleiben. So dreht sich das Kommunikationsrad fleißig fort und erzeugt nichts als heiße Luft. In dieser verglüht nicht nur die Glaubwürdigkeit der Ankündigungspolitiker, sondern auch das Vertrauen in die Institutionen und die sinnvollen Handlungsmöglichkeiten der ausführenden Mitarbeiter.
Unternehmen versuchen, das Risiko von Fehlbesetzungen und großen Anfangshürden durch Schulungen direkt im Unternehmensalltag zu reduzieren: Zukünftige Führungskräfte dürfen "an der Alltagsfront" ihres Verantwortungsbereiches einige Wochen mitarbeiten und so erfahren, was von oben verordnete Prozesse ganz unten bewirken. Denn als "einfaches Rädchen" erkennt man schnell, ob eine Anweisung die Arbeit vereinfacht oder verkompliziert.
Besonders erhellend ist auch der direkte Kundenkontakt: So manche Kommunikationsanweisung vom grünen Tisch hat sich in der sprachlichen Praxis der Kunden als schlichtweg unbrauchbar erwiesen, ebenso wie so manche Verhaltensvorgabe. Derartige Erkenntnisse und die direkte Beobachtung der Improvisationsgabe der Mitarbeiter vor Ort - "damit ich die Arbeit erledigen kann" - sind für manche Führungskraft mehr Inspiration und für das Unternehmen mehr Goldes wert als Meetings oder Trainings. Kurz: Die Alltagsperspektive ist ein wichtiger Schlüssel für erfolgreiche Veränderungen. Selbst wenn man dabei lernt, dass man alles ändern muss, sieht man besser, worauf zu achten ist, damit das Änderungsvorhaben überhaupt das Licht der Welt erblicken kann.
Als Beobachterin von Postenbesetzungen in der Politik wünsche ich diese "Alltagsschulung" allen Führungskräften in Parteien und staatlichen Institutionen. Die Hoffnung ist, dass man als Bürgerin dann nicht mehr mit utopischen Zielvorgaben für Behörden und sonstige Institutionen belästigt wird, sondern dass einer politischen Ankündigung auch eine realistische Machbarkeit zugrunde liegt.
Nach Donald Trump, Brexit und den aktuellen Regierungsvorhaben in Österreich bezweifle ich, dass wir unsere demokratischen Institutionen weiterhin alleine dem Ausleseverfahren der Parteien überlassen sollen. Der Schaden, der in diesen Positionen angerichtet werden kann, ist einfach zu groß.
Deshalb denke ich an eine verpflichtende "Alltagsschulung", bevor ein politisches Leitungsamt übernommen werden kann: Ein Quartal lang arbeitet die zukünftige Ministerin, der zukünftige Bürgermeister etc.
in den drei wichtigsten Teilbereichen des Verantwortungsgebietes drei Tage pro Woche "an der Front" in einfacher Funktion mit - und zur Auffrischung jedes Funktionsjahr wieder eine Woche lang. Den dabei erlangten Erkenntnissen widme ich dann gerne meine Aufmerksamkeit.