Die Inflation frisst unseren Wohlstand - und gefährdet letztlich die politische Mitte in ihrer Existenz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Um "die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man ihr Geldwesen verwüsten", soll Lenin die Auswirkungen der Inflation auf eine Gesellschaft wie unsere beschrieben haben. Ganz gesichert ist das Zitat nicht, aber das ändert nichts daran, dass es inhaltlich zutreffend ist. Denn historisch ist recht gut gesichert, dass hohe Inflationsraten nicht nur üble wirtschaftliche Folgen haben, sondern auch mehr oder weniger gesunde Gesellschaften von innen heraus zerfressen, in der Regel indem die politische Mitte, meist in Regierungsverantwortung, geschwächt wird und links- oder rechtsextreme Parteien stark gewinnen. Das war im 20. Jahrhundert in Deutschland und Österreich, aber etwa auch in vielen Staaten Südamerikas - wie Argentinien, einst eines der reichsten Länder der Welt, mittlerweile von der Inflation in ein besseres Armenhaus verwandelt - zu beobachten. Inflation und politische Stabilität, das geht nicht zusammen.
Nicht ausschließlich, aber doch bis zu einem gewissen Grad, deutet auch das jüngste Salzburger Wahlergebnis in diese Richtung. 10 Prozent und mehr Inflation sind politische Steroide für Radikale beider Provenienzen. Nicht zuletzt die extrem hohen Eigentum- und Mietpreise hängen ja ursächlich mit der inflationären Politik der EZB der vergangenen Jahre zusammen; auch wenn viele Wähler diesen Zusammenhang gar nicht begreifen dürften.
Ich fürchte freilich, dass sich dahinter ein noch gefährlicherer Zusammenhang verbirgt, der öffentlich kaum erörtert wird.
Salopp gesagt: Der Wähler fürchtet und hasst zwar die Inflation - aber er wählt mit Vergnügen Politiker, die mit ausgeborgtem Geld um sich werfen, was letztlich zu Inflation führt, weil sie diese Schulden irgendwann nur noch mit frisch gedrucktem Geld der Zentralbank finanzieren können. Genau das ist in der Eurozone passiert.
"Die Inflation trifft insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen. Sie können ihr in der Regel nicht entkommen. Das provoziert soziale und politische Konflikte, die freiheits- und marktfeindliche Ideologen auf den Plan rufen, die rasch den Sündenbock ausmachen: das kapitalistische System, die gierigen Investoren, die ungezügelten Kapitalmärkte, die Reichen", erläutert der deutsche Ökonom Thorsten Polleit. Die Folgen: "Politische Programme werden beschworen, um die Inflation in den Griff zu bekommen, um die Gerechtigkeit wieder herzustellen: höhere und mehr Steuern, mehr Umverteilung; mehr Ge- und Verbote, Preiskontrollen und Preisstopps - und damit mehr Lenkung und Überwachung des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens."
Genau da stehen wir jetzt, und die Wahlen in Salzburg sind ein Indikator, dass sich an diesem unheilvollen Weg nichts ändern wird, ganz im Gegenteil. Die einzige wirksame politische Therapie wäre eine entschiedene Rückkehr zur Politik des harten Geldes und einer verantwortungsvollen Finanzpolitik statt immer neuer Schuldengebirge. Das führte natürlich vorübergehend zu einer harten Rezession, die Politiker extrem fürchten. Dafür nehmen sie lieber "eine Verwüstung des Geldwesens" in Kauf, auf die Gefahr, "die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören".