Jahrelang hat man vom "Modell Oberösterreich" gesprochen und so die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse für ihre Wirtschaftlichkeit gelobt.
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Zwar hat sich das "Modell Oberösterreich" positiv auf die finanzielle Situation der Gebietskrankenkasse ausgewirkt, aber bei der Beurteilung wird auf die Spitäler vergessen. Seit Jahren steigen in Oberösterreich die Spitalsfälle und haben heute den höchsten Wert österreichweit. Pro 100 Einwohner werden 30 Aufnahmen (50.000 über dem Bundesdurchschnitt) gezählt - obwohl die Bevölkerung verhältnismäßig jung ist.
Jedes andere Bundesland, sogar Niederösterreich, wäre längst pleite. Nicht aber OÖ. Denn dort, und nur dort, werden 50 Prozent der Patienten in Ordensspitälern versorgt. Und weil diese Spitäler, zwischen 17 und 25 Prozent effizienter sind, als öffentliche, können Spitalskosten trotz hoher Inanspruchnahme niedrig gehalten werden.
Würden Ordensspitäler mit der gleichen Effizienz arbeiten wie öffentliche, kostete das um mindestens 180 Millionen Euro mehr - Geld, das vom Land bezahlt werden müsste.
Weiter: Würde durch Reformen, die Zahl der Aufnahmen auf normales Maß reduziert, ersparte sich das Land "nur" etwa 100 Millionen. Bleibt daher ein "Netto-Gewinn" von mindestens 80 Millionen jährlich, und der nicht zu unterschätzende politische Gewinn, jede Abteilung in jedem Spital halten zu können. Seitens der Politik gab es also wenig Anreize, das Modell zu ändern.
Der große Nachteil des Modells, alle Spitäler sind in einen Konkurrenzkampf eingetreten und haben versucht über immer mehr Patienten ständig zu wachsen - eine desaströse Strategie. Aber genau das war andererseits die Rahmenbedingung für die Kassen.
Zwar haben Hausärzte ein für Österreich geradezu vorbildliches Leistungsangebot und könnten damit ein gut funktionierendes Hausarztsystem aufbauen. Ob das auch beim Patienten ankommt, wurde nicht kontrolliert - es war nicht nötig. Eine etwaige Unterversorgung wurde durch die Spitäler aufgefangen. Auch bei Fachärzten, die deutlich seltener als in anderen Bundesländern zu finden sind (auch deswegen ist die Kasse wirtschaftlich im Plus), wurde nicht darauf geachtet, wie sie arbeiten.
Es ist jedem Kassenarzt überlassen, was er tut. Ob alles oder nur Teile des erlaubten Spektrums und was wie oft angeboten wird, ist seine Sache. Anders ausgedrückt, keiner kontrolliert, ob ein Arzt so behandelt, wie es im Sinne des Patienten richtig wäre (also so selten wie möglich ins Spital zu müssen); aber sehr wohl wurde die Wirtschaftlichkeit kontrolliert. Und da Spitäler gerne Patienten angenommen haben und die Honorare verhältnismäßig niedrig sind, wurde bei niedergelassenen Ärzten, besonders bei Fachärzten, eine Überweisungskultur gefördert, die zu häufigeren Ambulanzbesuchen und so zu immer mehr stationären Aufnahmen führte. Für Patienten war das Blödsinn, auch wenn es betriebswirtschaftlich gut aussieht.
Jetzt dämmern ob der Enns echte Reformen. Es gibt dabei zwei große Aufgabenblöcke: Das Land muss die Spitalslandschaft so umbauen, dass die Abstimmung mit der Pflege möglich wird und so Pflegepatienten nicht mehr unnötig oft oder zu lange im Spital liegen. Für die Kasse heißt es, darauf zu achten, dass ihre Ärzte mehr behandeln und die Zuweisungen an die Spitäler reduzieren. Letzteres hat sich die Kasse offen als Ziel gesetzt und ist damit vorgeprescht. Nun kann man gespannt sein, ob auch das Land die Aufgaben einer Spitalsreform erkennt und ähnliche Ziele formuliert. Ob das dann auch umgesetzt wird, steht ohnehin auf einem anderen Blatt Papier.
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.