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Der Bericht der Untersuchungskommission zeigt ein furchterregendes Sittenbild auf, wie der öffentliche Sektor mit großen Problemen umgeht.
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Der Bericht der von der früheren Höchstrichterin Irmgard Griss geleiteten Untersuchungskommission zum Hypo-Desaster hat - im Rahmen seiner eingeschränkten Möglichkeiten (keine Vorladepflicht, keine Wahrheitspflicht) - seine Aufgabe bravourös erfüllt: akribisch, nüchtern, exzellent recherchiert, schonungslos. Dieser Bericht sollte in Zukunft Standard für solche Kommissionen sein.
Der Bericht zeigt ein furchterregendes Sittenbild auf, wie Österreichs öffentlicher Sektor mit großen Problemen umgeht: vollkommener Kontrollverlust bei wildgewordenen Provinzhäuptlingen, schwere Lücken zwischen den Verantwortungen verschiedener Gebietskörperschaften, Hin- und Herschieben gravierender Probleme, um die Verantwortung auf andere oder in die Zukunft zu verlagern, unklare Mandate, chaotische und immer rascher wechselnde Organisationsformen, Reputationsschäden zuhauf, ungenügende bis gar keine Vorbereitung vor wichtigen Verhandlungen, unzureichende Qualifikation bei wichtigen Personalentscheidungen, Verstecken vor manifesten Problemen, ungenügendes Engagement bei Verhandlungen mit internationalen Organisationen, unsachgemäßes Hineinregieren von Beamten in privatwirtschaftliche Vorgänge und vieles mehr. Hinter allem: mangelndes Verständnis bei unzureichender Kenntnis von Vorgängen der internationalen Finanzwelt. Mit einem Wort: Unkenntnis und Fehlen adäquater Beratung!
Bei der unendlichen Geschichte des (für die Steuerzahler) extrem teuren Hypo-Desasters spielt die angebliche österreichische Mentalität eine wichtige Rolle: "Mir wern kann Richter brauchen", wir regeln alles untereinander. Unsere (angeblich) Verantwortlichen haben immer noch nicht begriffen, dass bei internationalen Geschäften die Proporzmechanismen, die Junktimierungen, die "Eine Hand wäscht die andere"-Mentalität nicht greifen und vollkommen andere Spielregeln herrschen.
Leider geht das Trauerspiel weiter, wie der dilettantische (oder geplante?) Abbruch der Verkaufsverhandlungen der Hypo-Balkantöchter ans Konsortium Advent/EBRD zeigt. Damit droht deren Abwicklung, mit gravierenden weiteren Verlusten für die Steuerzahler, für Österreichs Reputation und für andere heimische Banken in dieser Region.
Der (neue) Finanzminister muss endlich die Zügel in die Hand nehmen und die nötigen Schritte gezielt und ohne Einmischung von außen und innen setzen.
Die große Frage ist: Lernt Österreich aus diesem vielfachen Versagen? Werden die Strukturen von Regierung, Aufsicht, Aufsichtsgremien, etc. so umgebaut, dass die Mängel beim nächsten Fall nicht mehr passieren? Bei diversen "Einsparkommissionen" geht es nur ums Geld und nicht um eine funktionsfähige Verwaltung für das 21. Jahr-
hundert. "Verwaltungsreform" ist in Österreich zu einer die Parteien spaltenden Leerformel verkommen wie viele andere sinnvolle Begriffe. Die systematischen Schwachstellen des österreichischen Governance-Systems gehen weit über die Hypo hinaus. Der kommende Untersuchungsausschuss kann keinen funktionsfähigen Staat bauen. Die Regierung muss sofort einen Konvent dazu einberufen. Nur so kann sie ein weiteres Fortschreiten des Politikverdrusses verhindern.