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Kommunismus und Eiserner Vorhang gehören längst der Vergangenheit an, aber wie verbreitet ist bei uns - sieht man von einigen Ausnahmen ab - literarisches Schaffen aus diesen Ländern? Wer kennt die Namen Hana Belohradská, Jaroslava Blazková oder Iva Pekárková?
Im Sammelband "Ich trage das Land" sind Kurzgeschichten und Passagen aus umfangreicheren Werken, ausschließlich von Literatinnen aus den ehemaligen Ostblock, enthalten. Bei einem Großteil davon handelt es sich um Erstveröffentlichungen in deutscher Sprache. Viele der Autorinnen, die in dem Band zu Wort kommen, waren vormals mit Publikationsverboten belegt, mussten sich als Putzfrauen oder Kellnerinnen durchschlagen und konnten, wenn überhaupt, nur über Exilverlage ein Publikum erreichen. Doch sollte man genau hinhören, was durchwegs ausgezeichnete Autorinnen aus dem Abseits unserer westlichen Aufmerksamkeit zu sagen haben.
"Du bist im Gras oberhalb des Flusses gesessen und hast nach Österreich hinübergeschaut" erinnert sich etwa die 1960 geborene slowenische Schriftstellerin Silvija Borovnik an erste, schüchterne Versuche einer Kontaktaufnahme: "Aber warum gehen wir nie hinüber? Vati weiß es, sagt es aber nicht. Und du weißt es auch, schon im Kindergarten hat man es dir gesagt: Weil die Deutschen die Partisanen erschossen haben, und die Österreicher sind sozusagen auch fast Deutsche. Und dann sind sie auch noch Kapitalisten und beuten die Arbeiter aus."
Dabei ist der durch ideologische Stereotypen befangene Blick nach Westen nicht das dominante Moment der gesammelten Texte. In den meisten Episoden geht es um den Alltag in totalitären Regimen, geschildert aus weiblicher Perspektive. Bis dato ein blinder Fleck männlich-westlicher Wahrnehmungsmuster, den es in Zeiten des politischen Zusammenwachsens zu überwinden gilt.
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Ich trage das Land - Das Frauen-Buch der Ränder: Literatur von Schriftstellerinnen aus südost- und osteuropäischen Ländern, herausgegeben von Barbara Neuwirth, 362 Seiten, Hardcover, Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec. ISBN 3-85129-454-8