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Zypern droht, Kompromiss zu blockieren. | Frankreichs Armenier-Gesetz belastet Klima. | Brüssel/Luxemburg. Die EU und die Türkei arbeiten unter Hochdruck an der Rettung der vor dem Kollaps stehenden Beitrittsgespräche. Eine Einigung über die "Zypern-Frage" bis Jahresende könnte die "letzte Chance für eine lange Zeit, vielleicht für Jahre" sein, warnte Erweiterungskommissar Olli Rehn gestern, Montag, vor einem Treffen der EU-Außenminister mit ihrem türkischen Kollegen Abdullah Gül.
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Und mit der so genannten Zypern-Frage steht und fällt die Fortsetzung der türkischen Beitrittsgespräche. Vor deren Eröffnung hat die EU nämlich angedroht, dass die mangelnde Umsetzung der auf alle Mitgliedsstaaten ausgeweiteten Zollunion inklusive Zypern "den allgemeinen Fortschritt der Verhandlungen beeinflussen" werde. Die Türkei weigert sich aber, ihre Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe sowie Flugzeuge zu öffnen, wenn die Isolation des türkischen Nordteils der Insel durch die Europäische Union nicht gelockert wird.
Die ohnehin schon mit Emotionen aufgeladene Atmosphäre hat das französische Parlament noch angeheizt. Ein geplantes Gesetz soll die Leugnung des Völkermords an Armeniern während des Ersten Weltkrieges unter Strafe stellen. Doch laut offizieller türkischer Sprachregelung gab es diesen Völkermord nicht.
Verhärtete Fronten
Zwar verhandelt Finnland als derzeitiges EU-Vorsitzland fieberhaft mit der Türkei über eine Kompromisslösung. Zypern jedoch hat seine harte Haltung bekräftigt: Sein Land sei "nicht in der Position, Verhandlungskapitel zu öffnen, zu schließen oder Ziele festzulegen", sagte Außenminister Yiorgos Lillikas der "Financial Times Deutschland". Jegliche weitere Konzession an die Türkei würde nur dazu dienen, die Legitimität der EU zu untergraben. Zumindest verlange Nikosia deutliche Nachbesserungen des derzeitigen finnischen Kompromissvorschlages.
Dessen Inhalt ist bisher nur in Grundzügen bekannt. So soll die Türkei einige Häfen für zypriotische Schiffe öffnen. Im Gegenzug würde der türkisch-zypriotische Hafen Famagusta unter EU-Kontrolle für den internationalen Handel geöffnet. Damit wäre das Handelsembargo gegen die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern gelockert.
EU-Diplomaten fürchten jedoch, dass der französische Gesetzes-Vorstoß es Ankara unmöglich machen könnte, bis zu den Wahlen nächstes Jahr Zugeständnisse zu machen. Zwar habe ihn Frankreichs Präsident Jacques Chirac telefonisch um Verzeihung gebeten, sagte der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan. Und die tatsächliche Bestätigung des Gesetzes durch den Senat und Chirac scheint unwahrscheinlich. Das Pariser Parlamentsvotum aber hat den Nationalisten in der Türkei Auftrieb verschafft. Da die EU das Land sowieso nicht wolle, seien auch Zugeständnisse zu Zypern oder Rechten religiöser Minderheiten sinnlos, argumentieren sie.