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Mutter von in Weißrussland zum Tode Verurteilten reicht Gnadengesuch ein.
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Minsk. Dmitri Konowalow und Wladislaw Kowalew, die beiden wegen des Anschlags im April auf die Metro in Minsk zum Tode verurteilten jungen Männer, können nur noch auf Gnade hoffen: Wie der Menschenrechtsaktivist Pawel Lewinow berichtete, hat die Mutter einer der 25-Jährigen in einem Gnadengesuch Präsident Alexander Lukaschenko gebeten, ihren Sohn zu pardonieren. Außerdem bat sie das Oberste Gericht darum, ihn besuchen zu dürfen. Das Verfahren gegen die beiden Angeklagten hatte wegen der Schwere der Vorwürfe vor dem Obersten Gerichtshof stattgefunden. Damit besteht für die beiden mutmaßlichen Täter keine Möglichkeit zur Berufung mehr.
Nach der Urteilsverkündung hatten sich erschütternde Szenen abgespielt: Verwandte und Bekannte der Angeklagten schluchzten verzweifelt, Ljubow Kowalewa, die Mutter einer der Verurteilten, war in Tränen aufgelöst und musste gestützt werden. "Mein Sohn ist unschuldig, er hat an diesem Terroranschlag nicht teilgenommen", wiederholte sie immer wieder in einem Videobericht der weißrussischen Oppositions-Website "charter97.org".
Tatsächlich zweifeln viele Beobachter inner- und außerhalb Weißrusslands an der offiziellen Darstellung, wonach die offenbar völlig apolitischen Täter die selbst gefertigte Bombe in der zentralen Minsker U-Bahn-Station Oktjabrskaja aus Geltungssucht und Lust am großen Knall gezündet haben sollen. Ihre Geständnisse kurz nach dem Attentat, das 15 Tote und 200 Verletzte forderte, haben sie später widerrufen - sie seien aus ihnen herausgeprügelt worden. Die Videoaufnahmen in der Metrostation, die die Täter überführen sollten, sind lückenhaft und könnten laut Menschenrechtlern geschnitten worden sein. Da das autoritäre Regime um Lukaschenko nach dem Attentat allerdings darauf verzichtete, den Anschlag der verfolgten Opposition in die Schuhe zu schieben, zweifeln aber auch viele daran, dass der U-Bahn-Anschlag eine akkordierte Aktion des Regimes gegen seine Kritiker gewesen sei.
Manches deutet auch auf einen Machtkampf im geschlossenen System Weißrusslands hin. Immer wieder genannt wird Wiktor Lukaschenko, der Sohn des Präsidenten aus früherer Ehe. Dem 35-Jährigen, der seinen Vater beerben will, sind Sonderdienste unterstellt, deren Verhältnis zum Staatssicherheitsdienst KGB nicht immer amikal sein soll. Der junge Lukaschenko arbeitete außerdem bis 2005 in der Exportabteilung des Rüstungskonzerns "Agat", also im Waffenhandel. Mit dem Attentat habe er, so vermuten manche, auf sich aufmerksam machen wollen.