Auf zwei zusätzliche Anhörungen folgt entscheidende Abstimmung im EU-Parlament.
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Straßburg/Brüssel. Viel Zeit hatte Violeta Bulc nicht. Der slowenischen Entwicklungsministerin blieben gerade einmal vier Tage, um sich auf ihre Rolle als EU-Kommissarin vorzubereiten. Und zuvor hatte sie nur wenige Wochen, um überhaupt politische Erfahrung zu sammeln. Ministerpräsident Miro Cerar, selbst ein politischer Quereinsteiger, hatte die Unternehmerin erst vor kurzem als seine Stellvertreterin in seine Regierung geholt – um diese nun nach Brüssel zu schicken, nachdem das EU-Parlament die ursprüngliche Kommissarskandidatin Alenka Bratusek abgelehnt hatte.
Wenige Tage nach ihrer Ernennung hatte sich Bulc am Montagabend den Fragen der EU-Abgeordneten zu stellen. Parallel dazu erfolgte die Anhörung des Slowaken Maros Sefcovic, der zuvor schon einmal den Mandataren Rede und Antwort gestanden war. Doch Bratuseks Ablehnung und die neue Nominierung aus Slowenien hatten den künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker dazu gezwungen, Umschichtungen in seinem Kabinett vorzunehmen. Bratusek war als seine Stellvertreterin für den Zuständigkeitsbereich Energieunion vorgesehen; Sefcovic sollte das Ressort Transport leiten. Doch nun sind die Aufgaben umgekehrt verteilt: Bulc soll Verkehrskommissarin werden, und der künftige Vizepräsident Sefcovic musste noch einmal vor die Abgeordneten treten, um Fragen zur Energieunion zu beantworten.
Bei ihrem Auftritt vor dem zuständigen Ausschuss präsentierte sich die Slowenin als "leidenschaftliche Anwältin" für den Verkehrssektor. Dessen Bedeutung werde nämlich unterschätzt, befand Bulc. Der Bereich werde mehr als ein Problem gesehen denn als Möglichkeit, Wachstum und Jobs zu schaffen. Daher sei ein "technologischer Anschub" nötig, auf der Grundlage von öffentlichen wie privaten Investitionen. Die Anforderungen dabei reichen von intelligenten Verkehrsleitsystemen über alternative Brennstoffe bis hin zu den transeuropäischen Netzwerken, die es zu schaffen gilt.
Zurückhaltender zeigte sich Bulc beim Thema Pkw-Maut. Allerdings suggerierte sie, dass ein neues System, das derzeit etwa Deutschland einführen möchte, nicht diskriminierend gegenüber den Nachbarstaaten sein sollte. Generell findet die designierte Kommissarin aber Gefallen an dem Grundsatz: "Der Verursacher zahlt."
Eng zusammen arbeiten müssen wird Bulc mit ihrem künftigen Kollegen Sefcovic. Beide betonten, dass die Europäische Union ihre Abhängigkeit von Gasimporten reduzieren müsste. Das ist eine der "Säulen", auf die der künftige Vizepräsident die Errichtung einer "robusten Energieunion" stützen möchte. Eine Diversifizierung der Versorgung sei ebenso nötig wie mehr Energieeffizienz, erklärte Sefcovic.
Die Anhörungen wurden so knapp nach den Umbildungen angesetzt, um nicht den gesamten Terminplan zu gefährden, was einem Großteil der Volksvertreter ein Anliegen war. Doch manche Mandatare wiederum sprachen von einer "Farce", weil so wenig Zeit für die Vorbereitung geblieben war. Sie warfen den zwei größten Fraktionen, der Europäischen Volkspartei und den Sozialdemokraten, eine Koalitionsbildung vor, um dem Christdemokraten Juncker entgegenzukommen.
Dessen Mannschaft soll am 1. November ihr Amt antreten. Dafür braucht sie aber noch die Zustimmung des EU-Parlaments. Das – geheime – Votum im Plenum in Straßburg ist für den morgigen Mittwoch angesetzt. Das Abgeordnetenhaus kann mit einfacher Mehrheit die gesamte Kommission annehmen oder ablehnen.