Eine Ausstellung in der Krypta am Heldenplatz widmet sich den NS-Sammellagern im 2. Bezirk.
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Wien. Kleine Sperlgasse 2a, Castellezgasse 35 und Malzgasse 7 und 16 - wer heute an diesen Adressen im 2. Gemeindebezirk vorbeigeht, den erinnert nichts mehr an das, was sich dort während der Zeit des Nationalsozialismus ereignet hat. In den Gassen befanden sich jüdische Schulen, zwischen Februar 1941 und Oktober 1942 richteten die Nationalsozialisten dort Sammellager für Juden ein. Für die allermeisten von ihnen waren es Ausgangspunkte einer Reise in den sicheren Tod. Fast 49.000 Menschen, der Großteil der mehr als 66.000 von den Nazis ermordeten österreichischen Juden, wurden in insgesamt 45 Deportationszügen vom Aspangbahnhof in Ghettos und Vernichtungslager verschleppt. Die Reise an die Orte der Vernichtung begann hier, in den Sammellagern im 2. Bezirk.
"Letzte Orte vor der Deportation" lautet deshalb der Titel einer Ausstellung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die ab Mittwoch, dem Jahrestag der Novemberpogrome, in der Krypta des äußeren Burgtors am Heldenplatz zu sehen ist. Die Ausstellung macht die unbekannten, aber zentralen Orte der Topografie der Shoa sichtbar - und mit ihnen die Geschichten der Deportierten. Zahlreiche Fotografien, Briefe, Postkarten und Gedichte geben Einblick in das tägliche Leben in den Sammellagern, schildern eindrücklich die Angst, das Leid und intime Gedanken der deportierten Juden. ". . . meine letzte Bitte vor Polen wäre das [sic] du Deinen Chawer (Kamerad, Anm.) Maxi nicht vergisst", schrieb im März 1941 der Jugendliche Max Reich an einen Freund. Zu sehen sind auch Faksimiles von persönlichen Gegenständen. Die damals neunjährige Rosa Ringler nahm ihr Stammbuch mit ins Sammellager, ein Faksimile davon ist in der Ausstellung zu sehen. Nach dem Anschluss ließ sich ihr Vater von seiner jüdischen Frau scheiden, Rosa und ihre Mutter mussten zuerst in eine sogenannte Sammelwohnung im 2. Bezirk und nach ihrer "Aushebung", wie es in der Nazi-Terminologie hieß, ins Sammellager Kleine Sperlgasse. Dass die beiden der Deportation entgangen, war wohl Rosas Status als "Halbjüdin" zu verdanken. Zu sehen sind in der Schau auch Dokumente der Täter, Deportationslisten, Rundschreiben und Notizen.
Die Quellenlage zu den Sammellagern ist dünn, der Öffentlichkeit sind die Orte der Sammellager kaum bekannt, erklärt ÖAW-Kuratorin Heidemarie Uhl. "Die Ausstellung möchte bewusst machen, dass der Holocaust nicht nur in den Konzentrationslagern stattfand, sondern hier begann, mitten in der Stadt, in der unmittelbaren Nachbarschaft, vor den Augen der Wiener Bevölkerung." Um diesen Umstand zu verdeutlichen, führten die Ausstellungsmacher Interviews mit Überlebenden der Sammellager, unter ihnen der Künstler Arik Brauer oder der Überlebende des KZ Theresienstadt Rudolf Gelbard. Sie schildern ihre Erinnerungen rund aus den Tagen, in dennen sie "ausgehoben" und ins Sammellager gebracht wurden.
Drozda: Chance auf Krypta-Umgestaltung
Als Ort für die Ausstellung wurde bewusst die Krypta und das "Heldendenkmal" gewählt. Große, aus leichtem Material gefertigte Schautafeln brechen mit der sakralen Stimmung des Ortes, in dessen Zentrum die Statue des "toten Soldaten" eigentlich an die Gefallenen der Weltkriege erinnert. Der martialisch anmutende metallene Sarkophag aber wird durch die Ausstellung nicht versteckt, sondern bewusst mit dem Gezeigten kontextualisiert. Die Ausstellung wolle so einen Beitrag zur Transformation des Heldendenkmals in einen historischen Lern- und Vermittlungsort leisten, sagt Monika Sommer von der ÖAW, Co-Kuratorin der Ausstellung. Für Historiker gilt die Krypta als Beispiel für einen geschichtspolitisch mit unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Inhalten aufgeladenen Ort.
Kulturminister Thomas Drozda, der die Ausstellung am Dienstagnachmittag eröffnete, sieht durch diese (zu sehen bis 30. Juni 2017) eine Chance auf eine dauerhafte Umgestaltung der Krypta am Heldenplatz - diese müsse vor allem im Kontext mit dem geplanten Haus der Geschichte in der neuen Hofburg diskutiert werden.