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Letzte Runde im Streit um Reform

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Warschau droht weiter mit Blockade des Gipfeltreffens. | Maximalforderungen aus London. | Luxemburg. Nur noch zwei Tage bleiben der deutschen Bundeskanzlerin und amtierenden EU-Vorsitzenden Angela Merkel. Dann soll beim EU-Gipfel ein Kompromiss zur Reform der Union stehen. Die Außenminister konnten bei hitzig geführten Verhandlungen am Sonntag und Montag aber lediglich Detailfragen klären. Die großen Brocken bleiben den Chefs.


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Polen droht weiterhin mit Blockade. Auch Großbritannien habe Härte demonstriert und wolle mit Maximalforderungen ins Treffen der Staats- und Regierungschefs gehen, hieß es. Vetorecht bei Justiz- und Polizeikooperation, keine Grundrechtscharta und nicht allzu viel außenpolitische Kompetenzen der EU sind die Eckpunkte. Moderater hätten sich die Niederlande und Tschechien verhalten. Prag betonte zwar, Polen nicht allein lassen zu wollen. Ein Veto scheint aber nicht im Raum zu stehen.

Immerhin sei dass Missverständnis ausgeräumt worden, dass der neue Vertrag "indirekt als Weg zu einem Selbstverständnis der EU als Super-Staat" gedeutet werden könnte, erklärte die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik. Denn Flagge, Hymne, Symbole der Union und der Name Verfassungsvertrag wurden als Bestandteile des neuen Vertrags endgültig aufgegeben. Dabei handle es sich um ein Entgegenkommen jener 18 Staaten, die den Verfassungstext bereits ratifiziert haben. Jetzt sei es an den skeptischen Ländern, sich zu bewegen.

Rätseln über Polen

Ein "gewisses Ausmaß an Spannungen" liege in der gegenwärtigen Schlussphase des Entscheidungsprozesses aber in der Natur der Sache, sagte Plassnik. Sie sei zuversichtlich, dass es eine Einigung gebe werde.

Doch schon die Wahrnehmungen des Treffens klafften auseinander. Die Österreicherin meinte, Deutschland habe die Gespräche sehr umsichtig geführt und die Ansprechpartner aller Seiten mit einbezogen. Ganz anders ihre polnische Kollegin Anna Fotyga: Die Anliegen Polens seien gar nicht diskutiert worden, sagte sie: "Wir sind ein Land, das nicht gefragt wurde. Das ist inakzeptabel."

Diplomaten rätseln über die Hintergründe der polnischen Haltung, um Lösungsansätze für das Problem zu finden. So könnte es ums Geld gehen, meinte einer. Nach dem in der Verfassung vorgesehenen Abstimmungsmodus der doppelten Mehrheit (55 Prozent der Länder, 65 Prozent der Bevölkerung) könne Deutschland mit zwei anderen großen und einem kleinen Land EU-Entscheidungen blockieren. Für die nächsten EU-Finanzverhandlungen fürchteten die Polen daher etwa um ihre 67,5 Milliarden Euro Strukturgelder, die ihnen von 2007 bis 2013 zustehen.

Kein rationales sondern ein psychologisches Problem vermutete ein anderer hinter den polnischen Drohgebärden. Das von Warschau propagierte Quadratwurzel-Abstimmungssystem, das das Stimmgewicht größerer Staaten relativierte, sei schon in Nizza klar abgeblitzt. Etwa Schweden und Österreich hatten sich damals dafür eingesetzt. Polen werde sich am Ende fragen müssen, ob es gut sei, ein EU-Land zu sein und diese Frage mit Ja beantworten, meinte der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn.