Den Haag - Nach einer zu Wochenbeginn in den Niederlanden veröffentlichten Meinungsumfrage droht den bisher regierenden Sozialdemokraten bei der heute stattfindenden Parlamentswahl der totale Absturz. Sowohl die konservativen Christdemokraten als auch die Liste des in der Vorwoche ermordeten Pim Fortuyn werden sie danach in der Wählergunst überholen.
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In der ersten nach dem Mord an Fortuyn veröffentlichten Umfrage kommen die Sozialdemokraten (PvdA) im künftigen Parlament nur mehr auf 25 von insgesamt 150 Sitzen. Bisher waren sie die stärkste Partei mit 45 Mandaten.
Stärkste Partei dürften nach der vom Meinungsforschungsinstitut NIPO durchgeführten Umfrage die oppositionellen Christdemokraten (CDA) unter ihrem neuen Parteichef Jan-Peter Balkenende werden, denen 31 Sitze im neuen Parlament vorausgesagt werden. Bisher hatten sie 29. Die Christdemokraten werden aller Wahrscheinlichkeit nach den neuen Regierungschef stellen und damit nach acht Jahren ihre Oppositionsrolle wieder ablegen. Sie waren in allen holländischen Regierungen zwischen 1918 und 1994 vertreten.
Zweitstärkste Kraft dürfte die Liste Pim Fortuyn werden, der schon vor dem Mord an ihrem Parteiführer bis zu 26 Sitze im Parlament prognostiziert worden sind. Die neueste Umfrage sagt dieser bisher nicht im Parlament vertretenen Gruppierung 28 Sitze voraus.
Größte Verlierer der Wahl dürften neben den Sozialdemokraten die bisher mitregierenden Rechtsliberalen (VVD) werden. Ihnen wird in der jüngsten Umfrage ein Verlust von 13 ihrer bisher 38 Sitze vorausgesagt. Nicht besser dürfte es den ebenfalls in der Regierung vertretenen Linksliberalen (D 66) ergehen, denen die Umfrage nur mehr acht Sitze (bisher 14) zugesteht.
Die drei Regierungsparteien, die bisher über 97 der 150 Parlamentssitze verfügten, kämen danach nur mehr auf 58 Mandate.
Einen Zuwachs von 3 bis 4 Mandaten zu ihren bisherigen elf könnte demnach die Umweltpartei Groen-Links verzeichnen. Zwei Sitze werden der Gruppierung "Leefbaar Nederland" eingeräumt.
Als erste Reaktion auf diese für ihre Partei fürchterlichen Umfrageergebnisse haben die Jungen Sozialisten bereits den Rücktritt von Parteichef Ad Melkert gefordert, wenn sich diese Prognosen am Wahltag bewahrheiten sollten. Dem dem rechten Flügel der PvdA zuzurechnenden Melkert wird von seinen Parteifreunden vorgeworfen, dass er es nicht verstanden habe, dem ermordeten Pim Fortuyn etwas entgegenzusetzen und dass er ihn stattdessen dämonisiert habe.
Den Unmut des scheidenden Ministerpräsidenten hatte sich der neue Vorsitzende der Liste Fortuyn, Peter Langendam, zugezogen, als er in einem Interview mit der Zeitung "Het Parool" meinte, "die tödlichen Kugeln sind von links gekommen und nicht von der Rechten des Landes" und Kok, sowie dessen Nachfolger als SP-Parteichef Ad Melkert "Krokodilstränen" vorgeworfen hatte. Kok beschuldigte Langendam daraufhin, in einem Moment, in dem die holländische Gesellschaft Beruhigung brauche, Öl ins Feuer zu gießen. Langendam entschuldigte sich für den Ton, nicht aber den Inhalt seiner Erklärungen.