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Letzter Anlauf für Höchstarbeitszeit

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Harte Fronten um Ausnahmen. | Strafverfahren gegen 23 EU-Länder winken. | Brüssel. An der Schaffung EU-weit einheitlicher Höchstarbeitszeiten haben sich bereits die Niederlande, Luxemburg, Großbritannien und Österreich als EU-Vorsitzländer die Zähne ausgebissen. Heute, Dienstag, will Finnland alles auf eine Karte setzen. Bei einem Sondertreffen sollen sich die Wirtschaftsminister auf eine neue Arbeitszeitrichtlinie einigen. Ein Erfolg wäre allerdings eine "Überraschung", sagte ein Diplomat.


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Zwar herrscht bereits seit mehr als einem Jahr Einigkeit über die Teilung des Bereitschaftsdienstes - etwa im Gesundheitsbereich - in einen aktiven und einen inaktiven Zeitraum. Und auch, dass im Jahresschnitt grundsätzlich nicht mehr als 48 Stunden pro Woche aktiv gearbeitet werden soll, ist unumstritten.

Weiterhin völlig verhärtete Fronten gibt es aber um die Möglichkeit der dauerhaften Überschreitungen dieser wöchentlichen Höchstarbeitszeit, des so genannten Opt-Out. Wählte ein Land diese Option, dürften Arbeitnehmer über einen Durchrechnungszeitraum von sechs Monaten auch 60 oder gar 65 Stunden im Schnitt pro Woche arbeiten. Und grundsätzlich soll sich jedes Land per Gesetz oder Kollektivvertrag diese Ausnahmeregelung verordnen dürfen.

Eine große Gruppe von Ländern hinter Großbritannien möchte diese Möglichkeit keinesfalls abschaffen oder befürwortet sie zumindest, wie Deutschland und Österreich. Frankreich, Spanien, Italien, Portugal und Griechenland bestehen auf einem Auslaufen der Ausnahmen und möchten am liebsten gleich ein Datum dafür fixieren.

"Allmähliches Ende"

Der finnische Kompromiss spricht nun von einer "allmählichen Beendigung" des Opt-Outs, ohne jedoch einen Zeitpunkt oder eine Frist zu nennen. Wenn ein Land sich für Ausnahmen entscheidet, müsste es das begründen und der EU-Kommission melden. Drei Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen EU-Gesetzes soll die Praxis überprüft werden.

Eines weiteren scheinbar unlösbaren Problems haben sich die Finnen mit einem Kunstgriff entledigt. Ob die Höchstarbeitszeiten pro Arbeitnehmer oder je Arbeitsvertrag gelten sollen, soll einfach nicht EU-weit geregelt werden. Auch hier hatte es keine Aussicht auf Einigung zwischen zwei großen Gruppen von Mitgliedsländern gegeben.

Die EU-Kommission rief die Mitgliedsstaaten vor dem heutigen Treffen eindringlich dazu auf, sich auf Basis des finnischen Kompromissvorschlags zu einigen. Sonst müsse sie Strafverfahren gegen nicht weniger als 23 EU-Länder einleiten. Denn notwendig war das neue EU-Gesetz durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs geworden. Demnach ist Bereitschaftszeit grundsätzlich als Arbeitszeit zu werten. Nur in Luxemburg und Italien wird das derzeit gemäß geltendem EU-Recht gehandhabt.

Die Finnen haben bereits erklärt, das Thema Arbeitszeitrichtlinie im Falle eines Scheiterns nicht mehr aufgreifen zu wollen. Ähnlich hat sich Deutschland geäußert, das den EU-Vorsitz am 1. Jänner übernimmt.