Verlängerung des US-Verhandlungsmandates fraglich. | Subventionen für Landwirtschaft bleiben Streitthema. | Entwicklungsländer haben keinerlei Zeitdruck. | Davos. Doris Leuthard erwartet eine schwere Aufgabe. Die neue Bundesrätin hat die 25 wichtigsten Handelsminister der Welt für Ende Jänner nach Davos eingeladen, um am Rande des Weltwirtschaftsforums über den Stand der Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels zu sprechen. Dieses informelle Treffen ist unter Joseph Deiss, Leuthards Vorgängerin im Schweizer Volkswirtschaftsdepartement, zur Tradition geworden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Doch diesmal hängt vom Ausgang des Treffens in Davos das Schicksal der laufenden Liberalisierungsrunde ab. Denn eigentlich sind die Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) - nach dem Ort des Verhandlungsauftakts "Doha-Runde" genannt - schon gescheitert.
Im Sommer läuft das Verhandlungsmandat des US-Präsidenten ab. Bis dahin hätte ein WTO-Abkommen vom US-Kongress ratifiziert sein müssen. Selbst wenn es in Davos zum großen Durchbruch käme, wäre es dafür schon zu spät. Nur wenn der Kongress das Verhandlungsmandat verlängert, kann die "Doha-Runde" in absehbarer Zeit zu einem Abschluss gebracht werden.
Peter Power, Sprecher von EU-Handelskommissar Peter Mandelson, sieht in Washington "Zeichen des Interesses" an einer Verlängerung. Ob sie aber ausreichen, sei die große Frage. Die Handelsdiplomaten in Genf sind geteilter Ansicht. "Manche meiner Kollegen sind optimistisch. Aber ich sehe nicht, wo sie ihren Optimismus hernehmen", sagt einer von ihnen.
Streit über Agrarbeihilfen
Im Kern geht es darum, wie weit die USA und die EU ihre Agrarsubventionen abbauen und damit auf dem Weltmarkt Platz machen wollen für neue Anbieter, vor allem Brasilien, aber auch andere Entwicklungsländer. Die EU hat sich dabei in den vergangenen Jahren am meisten bewegt und bietet heute eine Halbierung ihrer Subventionen an. Die USA dagegen bieten eine Beschränkung auf 23 Mrd. Dollar pro Jahr. Faktisch wäre das eine Festschreibung des heutigen Standes.
Die Entwicklungsländer wollen aber eine Verringerung auf 15 Mrd. Dollar und weniger. Die US-Unterhändler haben wenig Spielraum. Sie können eine Verringerung von Subventionen für ihre Landwirte nur anbieten, wenn sie im Gegenzug Marktanteile anderswo erhalten, etwa in Europa. Zwar hat es in den letzten Tagen Berichte über eine weitere Annäherung zwischen den USA und der EU gegeben; offiziell bestätigt wurde aber bisher nichts. "Für die USA braucht es Anzeichen, dass in den Verhandlungen etwas für sie drinliegt", sagt der Schweizer Chefunterhändler Luzius Wasescha.
Doch auch die EU-Kommission, welche die Verhandlungen für die 27 EU-Länder führt, steht unter Druck. Die Hälfte der Mitgliedsländer, geführt von Frankreich, wehrt sich gegen weitere Zugeständnisse an die WTO-Partner. Und: Die EU will im Gegenzug mehr Marktzugang in Entwicklungsländern für ihre Industriegüter. Große Länder wie Indien stellen sich da taub.
Die Aussichten auf einen Durchbruch stehen nicht gut. In den USA gab es schon unter den Republikanern starke Gegner gegen die Doha-Runde. Die nun dominierenden Demokraten sind traditionell noch skeptischer gegenüber dem Freihandel. Die EU hat kaum noch Spielraum für mehr Konzessionen.
Winterschlaf bis zum Jahr 2010
Die großen Entwicklungsländer wie Brasilien und Indien haben dank ihres steigenden Gewichts die Zeit auf ihrer Seite. Stockt die Verhandlungsrunde, können sie in einem halben oder ganzen Jahrzehnt gestärkt an den Verhandlungstisch zurückkehren. Außerdem haben sich die meisten Länder mit einer Dauerblockade der Doha-Runde abgefunden und ihre Verhandlungen über bilaterale Freihandelsabkommen intensiviert.
Doch selbst wenn das Treffen in Davos ein Erfolg wird, bleibt nicht viel Zeit. EU-Kommissar Mandelson spricht von einem Zeitfenster bis Ende März, bis zu dem eine grundsätzliche Einigung erzielt werden muss. Denn in den USA steht die Verlängerung des Gesetzes über die Agrarbeihilfen an, der "Farm Bill". Wenn es die Beihilfen auf dem heutigen Stand lässt, kann Washington mit den WTO-Partnern auf Jahre hinaus nicht mehr über deren Senkung verhandeln.
Die Doha-Runde fiele dann in einen Winterschlaf, sagt Luzius Wasescha. Der würde erst beendet, wenn ein neuer US-Präsident sich von einem neuen Kongress ein neues Mandat geben liesse: frühestens 2010.