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Die rumänische Landeswährung Leu wirft am 1. Juli den in 15 Jahren angesammelten Inflations-Ballast ab, der mitunter bei über 300% im Jahr lag. Bei dieser Denomination werden vier Nullen gestrichen. Die Vorbereitungen zur Einführung des neuen Leu sind seit Monaten im Gange.
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Der Einzelhandel muss bereits seit März alle Preise doppelt ausschildern, in alten wie in neuen Lei - wie die Währung im Plural heißt, und das bleibt so bis Ende Juni 2006. Das alte Geld bleibt parallel noch 18 Monate im Umlauf, bis Ende 2006.
155 Tonnen neue Geldscheine und 610 Tonnen Münzen wurden in den letzten Tagen an Geschäftsbanken und an manche Supermarktketten verteilt, um zur Stunde Null am Freitag bereit zu stehen. Vorübergehend könnte es allerdings zu Engpässen kommen, zumal in Rumänien Bargeldverkehr noch vorherrscht. Ende 2004 waren etwa 5,6 Millionen Bankcards ausgegeben, und davon waren nur 280.000 Kreditkarten. Umgerüstet auf die neuen Scheine wurden vorerst nur etwa 1.000 von landesweit 3.450 Geldautomaten.
Notenbank-Chef Mugur Isarescu weint dem alten Leu keine Träne nach: "Es ist nicht gerade angenehm, Nationalbank-Gouverneur in einem Land zu sein, das eine Währung mit derart vielen Nullen hat." Zuletzt war ein Euro etwa 36.200 Lei wert, ab dem 1. Juli werden es 3,62 Lei sein.
Rumänien tat sich unter allen Ländern des ehemaligen kommunistischen Blocks am schwersten mit der Eindämmung der Inflation. Mit 9,3% erreichte die Konsumpreissteigerung 2004 zum ersten Mal nach 15 Jahren einen einstelligen Wert. Und schon gibt es wieder Probleme: Das offizielle Inflationsziel 2005 wurde Mitte Juni auf 7,5% leicht nach oben korrigiert, und für 2006 sind eher 6 als 5% Inflation wahrscheinlich.
Am 1. Jänner 2007 will Rumänien der Europäischen Union beitreten. Der Beitrittsvertrag ist unterzeichnet, doch bei Reformdefiziten kann die EU den Termin um ein Jahr verschieben. Bis 2007/2008 will Rumänien die Inflation auf 2 bis 3% senken. Ein hoch gesetztes Ziel, meinen Experten. Nach Schätzungen der rumänischen Nationalbank könnte der Euro dann 2012 bis 2014 eingeführt werden.
Generalprobe für
die Euro-Einführung
Das war mit ein Grund, weshalb die Maße der neuen Lei-Scheine den Euro-Banknoten genauestens angeglichen wurden. Bei einer Umstellung auf den Euro würde die Umrüstung von Geldautomaten und anderer Technik dann weitaus kostengünstiger ausfallen. Daher sei dies nun praktisch wie "eine Generalprobe für die Euro-Einführung". Die neuen rumänischen Münzen wurden allerdings so bemessen, dass sie nicht in die europäischen Automaten passen, die mit Euro-Münzen gefüttert werden müssen.
Bei den neuen Lei-Scheinen blieb Rumänien seiner Vorliebe für das Kunststoffgeld treu. Auch Farbe und Darstellung entsprechen dem alten Geld. Damit sollen Anpassungsschwierigkeiten bei der Bevölkerung vermieden werden. Mit einem Nominalwert von 500 Lei ist der größte Schein umgerechnet gerade etwa 140 Euro wert. Das ist etwas weniger als das derzeitige rumänische Durchschnittseinkommen (180 Euro).
Komisch finden die Rumänen es schon, von heute auf morgen keine Millionäre mehr zu sein - und seien es nur Lei-Millionäre. Denn selbst der Mindestlohn-Empfänger hatte 3,3 Millionen alte Lei in der Tasche, jetzt sollen es nur 330 Lei sein?
Der 84-jährige Bukarester Rentner Anton winkt ab. Das kenne er alles: Millionen Lei für ein Brot nach dem Zweiten Weltkrieg, 300 Lei Lohn in den fünfziger Jahren, drei Millionen Lei Rente jetzt, und im nächsten Monat dann eben wieder nur 300 Lei. Hauptsache sei aber, die "Gauner mogeln nicht bei den Preisen", hofft er. Denn ob 3 Millionen oder 300 Lei - es reiche vorne und hinten nicht. dpa