In Algerien ist die Bereitschaft zu einer Revolution noch gering. | Simone Hembach (26) studiert Internationale Entwicklung in Wien und macht seit Oktober 2010 ein Auslandspraktikum an der Universität Oran, westlich der algerischen Hauptstadt Algier. Sie unterrichtet dort Deutsch. Die "Wiener Zeitung" hat mit ihr über die momentane Stimmung in dem autoritär regierten nordafrikanischen Land gesprochen.
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"Wiener Zeitung": Haben die Studenten in Oran überhaupt etwas von der Revolution in Ägypten mitbekommen? Simone Hembach: Natürlich. Die Leute haben jeden Tag alles ganz genau mitverfolgt, was in Ägypten passiert ist. Die Menschen haben sich mit den Ägyptern solidarisiert.
Wenn die algerischen Medien über die Revolution berichtet haben: War das objektiv oder bloße Propaganda?
Die Berichterstattung war sehr ausführlich. Einige Zeitungen haben sehr objektiv über die Revolution berichtet, andere Beiträge waren total reißerisch, vieles war auch Propaganda.
Sind die Studenten an der Universität Oran in Kontakt mit Ägyptern, verwenden sie soziale Netzwerke wie etwa Twitter?
Ich habe nicht den Eindruck, dass Facebook, Twitter und Co in Algerien eine besonders große Rolle bei der Verbreitung von Neuigkeiten spielen. Wenn Facebook benutzt wird, geschieht das zum überwiegenden Teil zu privaten Verabredungen.
Sehen die Studenten eine realistische Chance, die ägyptische Revolution in Algerien zu wiederholen?
Nein, gar nicht. Es wird immer wieder gesagt, dass die Situation in Algerien völlig anders als in Tunesien und Ägypten ist. Anders als in Tunesien und Ägypten sind die Algerier nicht darauf aus, ihr Staatsoberhaupt so schnell wie möglich los zu werden.
Auch wenn die Demokratie hier im Land nicht als perfekt betrachtet würde, so haben die Menschen doch wenigstens das Gefühl, durch Wahlen mitbestimmen zu können.
Wie ist die Sicherheitslage in Algerien?
Ausländern wird geraten, sich von jeglichen Menschenansammlungen fern zu halten. In Oran kam es am 12. Februar zu einer Demonstration auf dem zentralen Platz. Da ging es aber relativ ruhig zu.
Was kritisieren die Menschen am Regime Bouteflika?
Die Korruption, vor allem ist es die Korruption. Algerien hat an sich hohe Einnahmen aus dem Rohstoffexport, allerdings weiß niemand, wo das ganze Geld bleibt. Die Bevölkerung hat das Gefühl, dass nichts bei ihnen ankommt. Trotzdem sind viele mit Bouteflika als Präsident zufrieden, doch die Minister werden stark kritisiert.
Kann man in Algerien überhaupt frei reden oder lauert die Stasi an jeder Ecke?
Die Leute sagen ihre Meinung sehr frei, sie halten auch mit ihren Ansichten zu politischen Ereignissen nicht hinterm Berg.