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Libanon: Kritik an Hisbollah wird laut

Von Sam F. Ghattas

Politik

Bemühungen um Entschärfung der Spannungen. | Entwaffnung bleibt ein Tabuthema. | Beirut. (ap) Im Libanon sind noch nicht alle Kriegstoten beerdigt, da brechen schon Risse zwischen den politischen und religiösen Gruppen auf. Im Mittelpunkt des Zwists steht die schiitische Hisbollah, die mit der Entführung von zwei israelischen Soldaten die 34 Tage dauernden Angriffe ausgelöst hatte. Seit die Waffen schweigen, melden sich immer mehr Hisbollah-Kritiker zu Wort, doch bemühen sie sich, die Spannungen nicht weiter anzuheizen.


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Demonstrative Einigkeit zeigt die Regierungsspitze. So besuchte der sunnitische Ministerpräsident Fouad Siniora gemeinsam mit dem schiitischen Parlamentspräsidenten Nabih Berri den schwer bombardierten Süden der Hauptstadt Beirut, um die Kriegsschäden zu inspizieren.

Am Rande eines politischen Vulkans

Die arabisch-nationalistische Beiruter Zeitung "As-Safir" warnte vor einer Explosion der Konflikte im Libanon. "Das Land steht anscheinend am Rande eines politischen Vulkans", hieß es auf der Titelseite. Die Spannungen beeinträchtigen auch den Wiederaufbau. Schiiten beklagten, die Regierung handle zu langsam, um den Not leidenden Menschen zu helfen. Die Hisbollah begann dagegen bereits damit, Bargeld an die Betroffenen zu verteilen.

Der antisyrische Drusenführer und Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP) Walid Joumblatt, der zu den wortgewaltigsten Kritikern der Hisbollah gehört, stellt die Rolle der schiitischen Miliz im Libanon in Frage. "Ist dieser Widerstand libanesisch oder ist er nur ein Werkzeug der syrisch-iranischen Achse auf libanesischem Territorium?", fragte er. Gleichzeitig erklärte er, die Hisbollah könne nicht gewaltsam entwaffnet werden, die Frage der Entwaffnung könne nur durch Dialog geklärt werden. Beobachter warnen, dass der Versuch, die Hisbollah zu entwaffnen, zu einem neuen libanesischen Bürgerkrieg führen könnte.

Hisbollah nimmt die Kritik ernst

Die Schiiten im Libanon unterstützen die Hisbollah, und auch ihr Ansehen als Verteidiger des Landes bleibt ungeachtet der Zerstörungen durch die israelischen Angriffe unangetastet. Trotzdem nimmt die pro-iranische Organisation die Kritik ernst. Der Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar begann eine beispiellose Kampagne gegen die Kritiker und warf ihnen Hinterhältigkeit vor. Ein besonders sensibles Thema ist die geforderte Entwaffnung, die Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah als unmoralisch abgelehnt hat. Der höchste geistliche Würdenträger der libanesischen Schiiten, Scheich Mohammed Hussein Fadlallah, hat jede Forderung nach Entwaffnung der Hisbollah, wenn sie von einem Libanesen erhoben werde, als "Landesverrat" eingestuft.

Saad Hariri gehört zu vorsichtigen Kritikern

Zu den vorsichtigen Kritikern der Hisbollah gehört der sunnitische Mehrheitsführer im Parlament, Saad Hariri. Er griff die Hisbollah nicht direkt an, erklärte aber, das Volk müsse sich hinter die Regierung und hinter die Streitkräfte stellen. Der christliche Politiker und ehemalige rechtsextreme Milizführer Samir Geagea sagte, Nasrallah müsse auch die Meinung anderer Libanesen berücksichtigen, die den Krieg nicht gewollt hätten.