Zum Hauptinhalt springen

Libanon: Ultimatum an Lahoud

Von WZ-Korrespondent Markus Bickel

Politik

Exgeneral Aoun als Nachfolger im Gespräch. | Antisyrische Allianz erhält Unterstützung von Rice. | Beirut. Der Druck auf Libanons prosyrischen Präsidenten Emile Lahoud, zurückzutreten, wächst. Heute, Donnerstag, wollen die wichtigsten Politiker des Landes, darunter Saad Hariri, Sohn des vor einem Jahr ermordeten Expremierministers Rafik Hariri, und der Chef der Progressiven Sozialistischen Partei, Walid Dschumblatt, zu einem "Treffen der nationalen Einheit" zusammenkommen, um über eine Absetzung des Ex-Generals zu beraten. Die antisyrische Regierung um Premierminister Fuad Siniora boykottiert bereits seit voriger Woche Sitzungen des Kabinetts, an denen Lahoud teilnimmt. Am Wochenende erneuerte sie ihr Ultimatum an den 70-jährigen, bis zum 14. März abzudanken.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Prominente Unterstützung erhält die antisyrische Allianz, die Lahoud Verwicklung in den Anschlag auf Hariri vorwirft, von US-Außenministerin Condoleezza Rice, die vorige Woche einen vorher nicht angekündigten Kurzbesuch in Beirut einlegte. Der Libanon brauche "einen Präsidenten, der nach vorne schaut, nicht zurück, und der Libanons Souveränität verteidigt", sagte Rice, die auf ein Treffen mit dem im Herbst 2004 nur mithilfe von Syriens Präsident Baschar Assad im Amt gebliebenen Lahoud demonstrativ verzichtete.

Stattdessen traf die US-Außenministerin mit den Führungsfiguren der so genannten "14. März-Kräfte" zusammen. Ihren Namen erwarb sich die antisyrische Allianz während des kurzen "Beiruter Frühlings" der Demokratie, als in der libanesischen Hauptstadt am 14. März vergangenen Jahres mehr als eine Million Menschen für den Abzug der syrischen Truppen demonstrierten.

Von besonderer Bedeutung im verworrenen Kampf um die Nachfolge des wegen seiner Nähe zu Syrien und wahrscheinlicher Verwicklung in das Hariri-Attentat seit Monaten unter Beschuss stehenden Lahoud: Rices Zusammenkunft mit dem maronitischen Patriarchen Nasrallah Butros Sfeir.

Königsmacher Sfeir

Sfeir gilt als Königsmacher im komplexen, konfessionell austarierten politischen System des Vier-Millionen-Einwohnerlandes. Da der Präsident laut des noch in der französischen Mandatszeit geschlossenen "Nationalpakts" ein Maronit sein muss, gilt es als Konsens unter den zerstrittenen christlichen Kreisen, dass nur ein Kandidat mit Sfeirs Zustimmung die Nachfolge Lahouds anstreben kann. Damit richtet sich der Blick auf Exgeneral Michel Aoun, der erst im Mai vergangenen Jahres nach fast anderthalb Jahrzehnten im Exil in Paris in den Libanon zurückkehrte. Noch nach Unterzeichnung des Friedensabkommens von Taif 1989 hatte er sich einem Waffenstillstand widersetzt und wurde erst im Herbst 1990 durch syrische Truppen zur Aufgabe seines Kampfes gegen die Protektoratsmacht aus Damaskus gezwungen.

Als die letzten im Libanon verbliebenen syrischen Truppen im April vergangenen Jahres den Rückzug antraten, kehrte auch Aoun zurück: Sein geschicktes Lavieren zwischen der antisyrischen Opposition um Hariri und Dschumblatt und den schiitischen Kräften um Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah und Parlamentspräsident Nabih Berri hat ihn zum populärsten christlichen Politiker avancieren lassen. Da die antisyrische Regierung im Parlament nicht über die für einen Sturz Lahouds nötige Zweidrittelmehrheit verfügt, ist sie auf Stimmen der schiitischen Parteien angewiesen.