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Liberale oft die Königsmacher

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Hälfte der Voten gewinnt die große Koalition. | EVP setzt sich bei Wirtschaft und Verkehr durch. | Brüssel. Durch den Lissabonner Vertrag hat das EU-Parlament massiv an Kompetenzen gewonnen, muss dadurch aber freilich auch deutlich mehr Verantwortung zeigen. Es ist schließlich etwas anderes, ob eine unverbindliche Resolution mit bloß politischer Signalwirkung verabschiedet oder ein internationales Abkommen zur Terrorismusbekämpfung gekippt wird. Wie die Abgeordneten und Fraktionen mit der neuen Situation umgehen, hat sich die NGO Votewatch.eu genau angesehen, die am Mittwoch ihren neuesten Bericht zum Abstimmungsverhalten der Parteienfamilien herausgegeben hat.


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Dabei zeigt die deutliche Mehrheit ein europäisches Selbstverständnis: "Abstimmungen im EU-Parlament verlaufen meistens entlang der Parteiengrenzen und nicht entsprechend den Nationalitäten. Bei rund der Hälfte der Abstimmungen gibt es eine Spaltung zwischen Links und Rechts, die andere Hälfte wird von der großen Koalition entschieden - also Sozialdemokraten und Christdemokraten zusammen", erklärt Studienleiter Simon Hix im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Im ersten Fall spielen oft die Liberalen das Zünglein an der Waage: Einmal stimmen sie mit der rechten Mehrheit und ein anderes Mal mit der linken gemeinsam ab. Das ändert sich von Thema zu Thema", so Professor an der London School of Economics.

Neue Außenpolitik

Dabei verhalten sich die Liberalen (Alde) sehr ausgewogen, haben in 78 Prozent der Abstimmungen mit den Sozialdemokraten in 77 Prozent mit der Europäischen Volkspartei (EVP) gestimmt. Vor allem wenn es um bürgerliche Rechte, EU-Innenpolitik, Umwelt und öffentliche Gesundheit geht, kann EVP nicht so sehr auf die Alde zählen; bei Wirtschaftsthemen dafür umso mehr.

Und einigermaßen überraschend: "Obwohl die EVP die größte Fraktion ist, sind die Liberalen bei den Abstimmungen öfter auf der Gewinnerseite. Sie können aber immer wieder den Königsmacher in Koalitionen spielen, sich aussuchen ob sich rechts oder links mitmachen wollen", erläutert Hix. Zu 100 Prozent setzt die EVP ihren Willen allerdings bei Wirtschafsthemen, Verkehr und Tourismus durch. Die Liberalen sind bei internationalem Handel, Beschäftigung und Bürgerrechten ganz vorne. Die Sozialdemokraten als zweitgrößte Fraktion kommen erst an dritter Stelle.

"Einen wirklich großen Unterschied macht der Machtzuwachs durch den Lissaboner Vertrag im Bereich der Außenpolitik, wo das EU-Parlament internationale Abkommen blockieren kann", sagt Hix. "Das haben wir ja zum Beispiel beim Swift-Vertrag gesehen." Der sollte es den US-Behörden erlauben, Bankverbindungsdaten der EU und des Nahen Ostens einzusehen, um der Terrorismusfinanzierung auf die Spur zu kommen. Den Vertrag kippten die Abgeordneten vor knapp einem Jahr, um stärkere Datenschutzstandards durchzusetzen.

"Dafür war damals eine große Mehrheit des Parlaments", so Hix. "In anderen außenpolitischen Bereichen sind die Meinungen viel unterschiedlicher." Bisher habe es aber noch nicht genug Abstimmungen gegeben, um ein klares Bild über die Einstellungen zu außenpolitischen Themen zu erhalten.