Verteidiger melden Berufung an.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wiener Neustadt. Der Strafprozess um den Zusammenbruch der früheren Medienhandelskette Libro ging am Dienstag mit einem ordentlichen Knalleffekt zu Ende.
Der Schöffensenat um Richterin Birgit Borns verurteilte den früheren Libro-Vorstandschef André Marten Rettberg zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren, die er zusätzlich zur Strafe aus dem ersten Libro-Prozess absitzen muss.
Der frühere Finanzvorstand Johann Knöbl, der in Zusammenhang mit einem Schweizer-Franken-Kredit geständig war, fasste sogar vier Jahre Haft aus; Libro-Aufsichtsratchef Kurt Stiassny vom Mittelstandsfinanzierer UIAG erhielt drei Jahre Haft, davon zwei Jahre bedingt; auch der Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann (Deloitte) fasste eine teilbedingte Drei-Jahres-Strafe aus. Nur der Universitätsprofessor und frühere Libro-Aufsichtsrat Christian Nowotny, der vom renommierten Wirtschaftsstrafrechtsprofessor Wolfgang Brandstetter verteidigt wurde, wurde von den Vorwürfen der Beteiligung an der Fälschung der Libro-Bilanz 1999 und der Untreue freigesprochen. Die Urteile sind aber nicht rechtskräftig.
"Ich bin fassungslos"
"Nach diesem Beweisverfahren bin ich über das Urteil fassungslos", sagt Werner Sporn, Strafverteidiger von Rettberg, zur "Wiener Zeitung". Er musste sich kurz nach der Urteilsverkündung um 14.30 Uhr im großen Schwurgerichtssaal um seinen Mandanten kümmern. Dem dürfte der Urteilsspruch durch Mark und Knochen gefahren sein. Denn: Rettberg & Co haben von Anfang an bestritten, Libro mit Vorsatz an die Wand gefahren zu haben. Rettbergs Verteidiger Sporn wird – wie die anderen Strafverteidiger auch – Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil einlegen. Mit der schriftlichen Ausfertigung des Urteils wird erst nach dem Sommer gerechnet.
"Kein Verständnis"
"Von der Begründung her verstehe ich das Urteil gegen meinen Mandanten nicht", sagt Thomas Kralik, Verteidiger von Kurt Stiassny. "Man hat zwar den Auftrag gegeben, bei Libro stille Reserven aufzudecken, was nicht verboten ist, aber laut Urteil musste jedem klar sein, dass Libro Deutschland nicht das wert war, wie es angesetzt wurde." Nachsatz: "Da hätte man das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG gleich mitverurteilen müssen." Zur Erklärung: Das Wirtschaftsberatungsunternehmen KPMG hatte unter dem heutigen Hypo-Alpe Adria-Bank-Chef Gottwald Kranebitter ein umstrittenes Bewertungsgutachten über Libro Deutschland erstellt, das sich letztendlich als falsch herausstellte.
"Man kann nicht sagen, der Aufsichtsratsvorsitzende Stiassny hat gewusst, dass das Gutachten falsch ist, aber die KPMG, die es erstellt hat, nicht", echauffiert sich Kralik. Im Mittelpunkt des Strafprozesses stand die Ausschüttung einer Sonderdividende in zweistelliger Millionenhöhe an die Libro-Altaktionäre, darunter die UIAG und Rettberg. Diese Sonderausschüttung war mittels zweier Bankdarlehen finanziert worden.