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Libro war "außen hui, innen pfui"

Von Franz Steinbauer

Wirtschaft

Medieninteresse bei Prozessstart in Wr. Neustadt groß. | Ankläger zufolge waren Informationen bei Börsegang falsch. | Ex-Libro-Chef Rettberg legt Wert darauf, dass er nur wenig Bildung hat. | Wr. Neustadt. Mit großem Medienandrang ging der Libro-Strafprozess in seine erste Tagsatzung. Hauptangeklagter Andre Rettberg erschien mit einer Fußfessel. So blieb dem einst mächtigen Boss der 2002 endgültig in die Pleite geschlitterten Papierwaren- und Buchhandelskette Libro erspart, in Handschellen fotografiert zu werden.


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Minutenlang wandte er der Presse den Rücken zu, indem er in die Richtung seines Verteidigers Werner Sporn und von Staatsanwalt Johann Fuchs blickte. Schließlich nahm er Platz und ein wahres Blitzlichtgewitter entlud sich. Bei der Befragung durch das Gericht gab Rettberg an, dass er nicht sechs, sondern nur fünf Jahre Mittelschule absolviert habe: "Ich bin einmal durchgefallen." Der Ex-Libro-Chef verdient derzeit rund 1400 Euro netto.

Rettberg und vier weiteren Mitangeklagten wird vorgeworfen, kurz vor dem Börsegang der Handelskette 1999 aus dem Unternehmen noch reichlich Geld gezogen zu haben. Auch Rettbergs ehemaliger Finanzvorstand Johann Knöbl sitzt auf der Anklagebank.

Ex-Finanzvorstand Knöbl mit Teilschuld

Wobei Knöbl für eine kleine Überraschung sorgte: Sein Anwalt kündigte ein Teilgeständnis an. Knöbl werde eingestehen, dass er Derivativgeschäfte mit dem Schweizer Franken nicht korrekt verbucht habe.

Weiters muss sich die frühere Aufsichtsratsspitze verantworten: Angeklagt sind der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Kurt Stiassny sowie dessen Stellvertreter Universitätsprofessor Christian Nowotny. Schließlich ist auch der Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann mitangeklagt. Die Beschuldigten, die mit Ausnahme Knöbl auf "nicht schuldig" plädieren wollten, saßen auffällig weit voneinander entfernt. Offenbar nach dem Motto: "Jeder hier kämpft hier für sich allein."

Im Detail geht es in dem Strafprozess um eine Sonderdividende von umgerechnet 32 Millionen Euro. Die Anklage lautet auf Untreue, schweren Betrug und Bilanzfälschung. Ihnen drohen jeweils bis zu zehn Jahre Haft. Für die Schöffen hält Staatsanwalt Fuchs die Sache bewusst einfach: Die Anleger seien "zum Ankauf von Libro-Aktien" verleitet worden. Das Unternehmen war "außen hui, innen pfui gewesen", wie ein "Auto ohne Motor". Der Börseprospekt sei falsch" und "beschönigend" gewesen. Man habe die Bilanz für den Börsegang "auffrisieren" müssen, konnte sich die Sonderausschüttung an die Altaktionäre - darunter auch Rettberg - in Wahrheit gar nicht leisten.

Im Internet-Hype war "alles möglich"

"Im Nachhinein ist man immer gescheiter", konterte der Verteidiger von Rettberg, Werner Sporn. Die Bewertung der Libro-Aktien im Sommer 1999 sei richtig gewesen. Damals habe es die Interneteuphorie gegeben. "Alles war möglich."

Das Leitthema Sporns für den Ex-Libro-Chef scheint dessen geringe Bildung zu sein: Es war für Rettberg unmöglich, über komplizierte juristische Dinge zu befinden, deshalb musste er sich auf seine Berater verlassen. "Für den Börsegang und die Bilanzen" war Rettberg laut seinem Anwalt nicht zuständig und damit auch überfordert. Beim Börsegang war Libro "ein erfolgreiches Unternehmen". Wäre es nicht zu einem wirtschaftlichen Einbruch gekommen - 2001 musste Ausgleich und 2002 Konkurs angemeldet werden -, dann "würden wir nicht hier sitzen", sagte Sporn.

Zwischenbilanz des Staatsanwalts: Die Telekom - damaliger Großaktionär - hat 85 Millionen Euro verloren, die Aktionäre beim Börsegang 77,6 Millionen Euro, rechnete Fuchs vor. Doch "es hat nicht nur Verlierer gegeben bei der ganzen Geschichte", betonte Fuchs. Rettberg habe 13,8 Millionen Euro kassiert, Knöbl 3,45 Millionen Euro und die Beteiligungsgesellschaft UIAG, laut Staatsanwalt Stiassny und Nowotny zuzurechnen, 19,21 Millionen Euro.

Besonders öffentlichkeitsscheu zeigte sich Christian Nowotny: Seine Wohnadresse gab er erst auf demonstratives Nachfragen von Richterin Birgit Borns hin bekannt.