Stämme stemmen sich gegen Gaddafi. | Auch Islamisten ringen um Macht. | Tripolis. Libyen könnte ein Kampf bis zum bitteren Ende bevorstehen. Experten rund um den Globus fürchten, dass das nordafrikanische Land in einen blutigen Bürgerkrieg stürzen wird. Schuld daran ist allerdings nicht nur Revolutionsführer Muammar Gaddafi, der versucht, seine Macht mit aller Gewalt zu halten. Größtes Problem ist die Stammesstruktur und die fehlende Opposition im Land.
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In Libyen, wo Stammeszugehörigkeit wichtiger ist als nationale Identität, hat Gaddafi seine Herrschaft dadurch gefestigt, dass er geschickt dafür sorgte, dass sich die rivalisierenden Stämme gegenseitig in Schach hielten. Nun, da der Revolutionsführer wankt, haben sich die Warfalla und Zuwaia-Stämme - die größten des Landes - gegen ihn gestellt.
Scheich Faraj, Führer der Zuwaia im Osten des Landes, droht, die Ölexporte in den Westen zu kappen, wenn das Regime nicht die "Unterdrückung von Demonstrationen" stoppt. Der Anführer der Warfalla im Süden sagte mit Blick auf Gaddafi: "Wir sagen unserem Bruder, er ist nicht mehr unser Bruder."
Es ist anzunehmen, dass Gaddafi seinen eigenen Gaddadfa-Stamm sowie mit diesem verbündete mit möglichst viel Waffen und Geld versorgen wird. "Wir werden bis zum letzten Mann, ja sogar bis zur letzten Frau kämpfen", hatte Gaddafis Sohn Saif Islam bereits angekündigt.
Opposition istnicht organisiert
"Wenn die Stammes-Karte ausgespielt wird, wird Libyen zu einem zweiten Somalia", warnt Saad Djebbar, der algerische Anwalt, der Libyen im Lockerbie-Prozess verteidigt hat. Nach dem Sturz des Diktators Siad Barre im Jahr 1991 stürzte Somalia in einen Bürgerkrieg, in dem bei Kampfhandlungen zwischen Kriegsherren, Clans und diversen Gruppierungen zigtausende Menschen getötet wurden.
Die dezentrale Struktur macht in Libyen eine geordnete Machtübernahme äußerst schwer. So etwas wie eine organisierte Opposition gibt es nicht. Lediglich in der Schweiz findet sich eine kleine Gruppe.
Die Einteilung in Stämme wird von zwei weiteren Faktoren überlagert: der Armee und den Islamisten, die ebenfalls auf die Stämme verteilt sind. Zwar wird die Armee dadurch keine Rolle bei einem Machtwechsel spielen, so wie es in Ägypten geschehen ist. Doch in die Auseinandersetzungen könnte sie sehr wohl involviert werden. Nicht zufällig wurden die Aufständischen in Libyen von Kampffliegern angegriffen. Die Luftwaffe ist nämlich in der Hand von Gaddafis Stamm und hat bereits 1993 eine Rebellion niedergeschlagen.
Dem Terrorexperten Claude Moniquet vom European Strategic Intelligence and Security Center zufolge sind es diesmal Islamisten, die die Rebellion im Land angezettelt haben. Dafür spreche die Tatsache, dass der Aufstand im Osten Libyens begonnen habe. Dort formierte sich bereits in den 1990er Jahren Widerstand, weil sich Gaddafi mit den islamischen Rechtsgelehrten überworfen und die Moscheen unter seine Kontrolle gestellt hatte.
Wer sich nach Gaddafi in diesen wirren Machtstrukturen behaupten können würde, ist unvorhersehbar. Was jetzt schon herrscht, ist Djebbars Befürchtung: "Die Libyer werden sich gegenseitig abschlachten."