Zum Hauptinhalt springen

Libyen spürt Wirtschaftskrise nicht

Von Eva Stanzl

Wirtschaft

Heimische Firmen mit Exportplus. | Bauboom und EU-Freihandelsabkommen. | Tripolis/Wien. Gebaut wird in atemberaubenden Dimensionen: Drei Zementwerke unter der Führung der oberösterreichischen Firma Asamer werden ab 2010 einen Großteil des libyschen Markts beliefern. Auch die börsenotierte Strabag verdient in Libyen Millionen: Kaum hat sie die Autobahn zwischen Ajdabiya und Benghazi gebaut, beginnt sie den nächsten Großauftrag: Um 434 Mio. Euro soll die Strabag die Infrastruktur der Gemeinde Tajura im Einzugsgebiet von Tripolis erneuern und Wohnungen für 100.000 Menschen aus dem Saharaboden stampfen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Neu gebaut werden auch Entsalzungs-, Kraftwerks- und Kläranlagen, unter anderem von der VA Tech Wabag mit Sitz in Wien. Gebraucht wird nahezu alles: von Bau-Infrastruktur über Energie, Materialien und Architektur bis hin zu ganzen Stadien. Das autoritär geführte Libyen, das sich erst vor wenigen Jahren öffnete, "sieht aus wie Russland nach der Wende, aber mit dem Unterschied, dass es genug Geld gibt, um das Land neu aufzubauen", betont David Bachmann, österreichischer Außenhandelsdelegierter in Tripolis.

90 Prozent der libyschen Ölexporte gehen in die EU. Noch sind die Öl- und Gas-Vorkommen in dem nordafrikanischen Land weitgehend unerforscht. Libyen ist - gemessen am BIP pro Kopf - das reichste Land Afrikas. Trotz der weltweiten Krise rechnen Experten für 2009 mit einem Wachstum von mehr als 6 Prozent.

Während der österreichische Außenhandel nahezu überall ins Minus dreht, nehmen die heimischen Exporte nach Libyen jährlich um je 20 Prozent zu. "Österreich hat die Botschaft aufrecht erhalten, als das Land von Sanktionen belegt war und seine Handelsbeziehungen so weit es ging, gepflegt", sagt Bachmann. Bei der Öffnung war man bereits vor Ort.

Der Aufschwung des libyschen Verhältnisses zu den westlichen Staaten begann 2003. Damals übernahm Libyen die Verantwortung für den Flugzeug-Anschlag über dem schottischen Lockerbie und kündigte an, seine Massenvernichtungswaffen-Programme einzustellen. Staatschef Muammar al-Gaddaffi bekannte sich 2004 zur Marktwirtschaft.

Bachmann zufolge sehen nun junge Menschen, die im Ausland studiert haben, in ihrem eigenen Land wieder Chancen: "Bis vor fünf Jahren durfte man in Libyen keine Fremdsprache lernen. Nun geben die, die Englisch können, den Ton an und bringen ausländische Unternehmen nach Libyen."

Freihandelsabkommen

Experten zufolge könnte ein Freihandelsabkommen Libyens mit der EU bereits 2010 abgeschlossen sein. EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner hatte den Weg für die Verhandlungen 2007 freigemacht. Voraussetzung dafür war die Freilassung von vier bulgarischen Krankenschwestern und eines Arztes gewesen: Diese waren beschuldigt worden, 400 libysche Kinder mit HIV infiziert zu haben. Sie waren daraufhin in Libyen zunächst zum Tod verurteilt worden.

Ein "zweites Dubai" wolle das nordafrikanische Land nicht werden, sagt Bachmann: "Dubai ist das Tourismus- und Finanzzentrum, Libyen will hingegen die Industrie stärken." Nach wie vor dürfen Touristen nur in Gruppen das Land bereisen, gibt es keine westlichen Tageszeitungen, kaum Restaurants, kaum Hotels sowie ein strenges Alkoholverbot.

Dass die Öffnung langsam vor sich geht, wird bei Vertragsverhandlungen deutlich. So erwarb der Baustoffkonzern Asamer 2008 die Mehrheit an der Libyan Cement Company. Eine der Bedingungen war die Management-Hoheit durch Asamer. Wie Bernhard Spreizhofer, Vorstand des Joint Ventures, betont, habe es fünf Jahre gedauert, den Widerstand der Gewerkschaften und Funktionäre zu überwinden.