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Nach Berlin und Bielefeld ist Wien seit heute die dritte Station der überarbeiteten Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" des Hamburger Instituts für Sozialforschung in Wien. Von ihrem Start 1995 weg heftig umstritten, musste sie 1999 aufgrund wissenschaftlicher Mängel zurückgezogen werden. Lob für die Neufassung kommt nun auch von ehemaligen Kritikern.
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Am 5. März 1995 wurde in Hamburg unter dem Titel "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" die erste Version der "Wehrmachtsausstellung" eröffnet. An der vom Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) organisierten Schau entzündete sich in der Folge eine heftige zeitgeschichtliche Diskussion über die Verwicklung der Wehrmacht in den Rassen- und Vernichtungskrieg des NS-Regimes. Die Ausstellung wurde in 33 Städten Deutschlands und Österreichs gezeigt und erreichte mehr als 900.000 Besucher.
Von Anfang an sah sich die Schau im Kreuzfeuer der Kritik. Rechtsextreme Kreise schreckten auch vor einem Bombenattentat nicht zurück, als die Ausstellung 1998 in Saarbrücken gastierte. Seriöse Kritiker wandten sich zwar nicht gegen die Grundaussage der Schau, stießen sich jedoch an der anklagenden und moralisierenden Form ihrer Präsentation.
Nach und nach entwickelte sich die politische Diskussion zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Der polnische Historiker Bogdan Musial wies etwa nach, dass einige der gezeigten Fotos nicht Wehrmachtsverbrechen zeigen, sondern exhumierte Leichen von Opfern des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes NKWD. Auch der deutsche Historiker Dieter Schmidt-Neuhaus und sein ungarischer Kollege Krisztián Ungváry wiesen auf gravierende Fehler bei der Zuordnung und Deutung der in der Ausstellung präsentierten Fotos hin.
Als die Kritik immer mehr überhand gewann, entschloss sich schließlich Jan Philipp Reemtsma, der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, im November 1999, die Ausstellung vorübergehend zurückzuziehen. Eine Untersuchung der umstrittenen Aufnahmen durch ein unabhängiges Gremium wurde angekündigt. In der Folge wurden zwar die Ausstellungsmacher vom Vorwurf der Manipulation freigesprochen, kritisiert wurde jedoch die zu pauschale und verallgemeinernde Argumentation. Vor allem der überhebliche und unprofessionelle Umgang mit der Kritik wurde bemängelt. Im August 2000 trennte sich Reemtsma von Hannes Heer, dem Leiter der Ausstellung und ein neues Historiker-Team unter Leitung von Ulrike Jureit machte sich an eine grundsätzliche Neukonzeption der Ausstellung. Das Ergebnis wurde am 28. November 2001 in Berlin der Öffentlichkeit erstmals präsentiert.
Die Neukonzeption der Wehrmachtsausstellung stieß nunmehr auf fast ungeteilte Zustimmung, sieht man von der rechtsextremen Fundamentalkritik ab. Bogdan Musial kommentierte etwa in einem Kommentar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Das Scheitern der alten und die Eröffnung der neuen Ausstellung kündigen hingegen womöglich eine neue Ära im Umgang mit der Geschichte des Nationalsozialismus an. An die Stelle von pauschalen und vorschnellen Urteilen sowie emotionaler Betroffenheit treten wissenschaftliche Sachlichkeit, Differenziertheit und Zurückhaltung in Urteilen."
Auf nunmehr 1.000 Quadratmetern, der doppelten Fläche der alten Ausstellung, präsentiert die Wehrmachtsausstellung deutlich mehr Beweise für die Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegsverbrechen während der NS-Zeit. In sechs Kapiteln wird erläutert, wie die Wehrmacht in die Ermordung von Zivilisten und Kriegsgefangenen verstrickt gewesen ist. Der Ansatz ist deutlich umfassender, etwa wenn auch gezeigt wird, wie einzelne deutsche Soldaten unter Lebensgefahr Juden oder Gefangenen geholfen haben.