Wie sich an Unis Österreichs die Lehre der "Erziehungskunst" entwickelte. | Wolfgang Brezinka über Marian Heitger: "Meister der Selbst-Inszenierung". | Wien. Die Ausbildung der Lehrer ist nicht erst heute ein heißes Thema. Als 1774 unter Maria Theresia eine "Allgemeine Schulordnung" für die Schulen in den habsburgischen Ländern erlassen wurde, kam es erstmals zu einer gesetzlichen Regelung der Ausbildung, Prüfung, Anstellung und Beaufsichtigung der Lehrer. Als Geburtsjahr des Studienfaches Pädagogik sieht der Erziehungswissenschafter Wolfgang Brezinka bereits das Jahr 1771 an: Damals hielt Karl Heinrich Seibt an der Universität Prag - seit 1763 dort als "Professor der schönen Wissenschaften und der Moral" tätig - erstmals "Vorlesungen über die Erziehungskunst".
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Der bereits 1771 gewälzte Plan, eigene Lehrkanzeln für Pädagogik einzurichten, wurde freilich erst ab 1805 verwirklicht, als man an den Universitäten Wien, Prag und Innsbruck die ersten Professoren für dieses Fach ernannte. Im Hintergrund dieser Neuerungen stand das Bestreben, in der Ausbildung der Lehrer und Schüler den Einfluss der Kirche zurückzudrängen.
Wolfgang Brezinka, der heuer sein 80. Lebensjahr vollendete, gilt als bedeutender Erziehungstheoretiker der Gegenwart. Auch als Emeritus arbeitet er unermüdlich für seine Disziplin, heuer hat er den dritten Band seiner umfangreichen "Pädagogik in Österreich" vorgelegt, die bis ins Detail die Entwicklung dieses Studienfaches an Österreichs Universitäten vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart nachzeichnet.
Noch ein vierter Band soll folgen. Denn der Autor hat sich auch noch "gründliche Arbeit" über die Wirtschaftsuniversität Wien, die 1970 speziell für Bildungswissenschaften gegründete Klagenfurter Universität und Ergänzungen zu Spezialdisziplinen (wie Religions-, Sport- und Wirtschaftspädagogik) sowie eine gesamtösterreichische Bilanz aus international vergleichender Sicht vorgenommen.
Schon der im Jahr 2000 erschienene erste Band wurde als "Standardwerk der Geschichte der Humanwissenschaften" gewürdigt. Er war dem Schulwesen allgemein und der Pädagogik im Habsburgerreich und in der Republik Österreich sowie im Besonderen der Geschichte dieses Faches an der Universität Wien gewidmet. Die beiden folgenden Bände nahmen dann die Pädagogik an den Universitäten Prag, Graz, Innsbruck, Czernowitz, Salzburg und Linz unter die Lupe.
Klare Bewertungen
Brezinka, der sich selbst als letzten noch lebenden Zeitzeugen einer Pionier-Ära der Pädagogik nach dem Zweiten Weltkrieg sieht, geht in seiner Darstellung vor allem auf die Biographie und das Lehrverhalten von Exponenten der Pädagogik ein und spart dabei nicht mit klaren Bewertungen seiner Kollegen.
Da kommt dann zum Beispiel der langjährige Wiener Pädagogik-Ordinarius Marian Heitger als "Meister der Selbst-Inszenierung und des Macht-Erwerbs" weg. Der an der Salzburger Uni tätige Günter Haider wird als "umsichtiger Interpret der Pisa-Studien" gekennzeichnet. Der einige Zeit in Innsbruck "Feministische Pädagogik" lehrenden Kornelia Hauser wirft Brezinka "Unkenntnis des Faches" und einen "salopp-essayistischen Stil" vor.
Wer in einem wissenschaftlichen Werk nur nüchterne, nicht von der eigenen - im Fall Brezinka offenbar konservativen - Sicht der Dinge beeinflusste Bewertungen erwartet, mag sich an manchen Formulierungen stoßen, aber ohne solche Urteile, ob man sie nun teilt oder nicht, wäre die Lektüre dieser tausenden sorgfältig recherchierten und mit vielen Quellenangaben versehenen Seiten wohl viel langweiliger.
Wolfgang Brezinka
Pädagogik in Österreich. Die Geschichte des Faches an den Universitäten vom 18. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.
Band 1: Einleitung, Wien, 1060 Seiten, 123,40 Euro.
Band 2: Prag, Graz, Innsbruck, 1023 Seiten, 99 Euro.
Band 3: Czernowitz, Salzburg, Linz, 758 Seiten, 55 Euro.
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien.