Für ein paar hundert Jahre, von der Spätgotik bis ins 19. Jahrhundert ist das Licht als isoliertes Phänomen in der Malerei wichtig und es gilt als besonderes Kunststück, die verschiedensten Lichter einzusetzen. Wie die Zentralperspektive und die Lokalfarben ist es eine Ordnungsmacht des Bildes, die von einer Spiegelung der Natur als Ideal ausgeht.
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Hell für Gott, dunkel für den Teufel. Das Mittelalter hat in Antithese zum Naturalismus einen ikonischen Stil bevorzugt: Gold stand für göttliches Licht, die Szenen sind taghell, Dunkelheit galt als Höllenmetapher für eine sündige Menschheit zur Warnung. Erst im 13. Jahrhundert wird die Erde selbst als Schauplatz der biblischen Historie akzeptiert: Taddeo Gaddi malt 1327 in der Kirche S. Croce in Florenz "Die Verkündigung an die Hirten" mit einer ersten, allerdings sehr inkonsequenten Helldunkelverteilung. Die dunkle Nacht und der Schlaf von Mensch und Tier wird durch das Licht des Engels unterbrochen, der die Nachricht von der Geburt Christi überbringt. Von seiner Seite ausgehend wird alles bestrahlt und, obwohl Schlagschatten bis auf den Riemen der Wasserflasche noch fehlen, gibt es den Wechsel von beleuchteten und beschatteten Felsen und Körpern.
Es muss ein Wagnis gewesen sein, göttliche Lichter der Realität anzupassen, doch die Mystikerinnen beschrieben es so und regten nächtliche Gebete an. Trotzdem dauerte es mehr als hundert Jahre, bis weitere Lichtsensationen gemalt wurden - etwa von Piero della Francesca 1454 im Dom von Arezzo. Das Wunder des Kreuzzeichens, durch einen Engel an Kaiser Konstantin im Traum vermittelt, lässt ihn am nächsten Tag eine Schlacht gewinnen. Himmlisches Licht von außerhalb des Bildes inszeniert das Bild von links oben.
1435 hatte Leon Battista Alberti als bekannter Kunsttheoretiker von der "neuen Manier" gesprochen, statt mit Gold Tages- und Nachtbilder zu malen. Dunklere Farbtöne wurden empfohlen, dazu konsequente Schattenschraffur, zentrale Perspektiv-Konstruktion und die Bündelung der Lichtstrahlen. Danach riet Leonardo da Vinci in seinen Schriften den Kollegen, Mond, Sterne, Feuer oder Fackeln sowie Kerzen im dunklen Bild einzusetzen. Da dies nur die Malerei und nicht die Bildhauerkunst machen kann, waren Lichtquellen besonders für den "Paragonestreit" interessant. An den ersten Akademien, mit Leonardo in Mailand, Michelangelo in Florenz und Rom, stritten sich die Künstler, welches die höhere Kunst sei, und empfahlen dreierlei Lichtquellen in den Bildern, um die nächtlichen Kunststücke im Wettbewerb gegen Statuen siegen zu lassen.
Fantastische Nachtstücke. Auch in den Niederlanden hatten Maler wie die Brüder van Eyck und später Hieronymus Bosch und der "Höllenbrueghel" eine besondere Gabe für Nachtstücke mit Mond, Feuer, Laternen und teils göttlich-mystischen Lichtquellen. Bis heute streiten die Experten, ob Bosch selber einer apokalyptischen Sekte angehörte oder nur ein Meister des fantastischen Genres war, das Auftraggeber von ihm wünschten. Bei Jan Brueghel gibt es neben Höllen auch Themen wie "Die Versuchung des hl. Antonius" und "Das brennende Troja" mit vielen Lichteffekten. Die Wirkung war so stark, dass die Phantasten in Wellen immer wieder auftauchen - zuletzt in Surrealismus und der neuen Leipziger Malerei.
Erotisches Kerzenlicht. Licht kann dramatisieren, die Dinge plastisch machen, kann die Zeitlichkeit zum "fruchtbaren Augenblick" (Lessing) binden und ikonische Ewigkeit aufheben, es kann auch die Erzählung unterstreichen, religiöse Mystik und psychologische Wirkung steigern. In der Gegenreformation ab 1600 diente es den wichtigen Heiligen. Besonders Caravaggio gilt mit seinem scheinwerferartigen Licht in Keller-Dunkelheit als Helldunkel-Meister, obwohl die innerbildlichen Kerzen und deren Beschattung, um den Betrachter nicht zu blenden, erst in seiner Nachfolge in Italien, Frankreich und den Niederlanden besondere Blüten treiben. So bei Georges de la Tour, der im Dreißigjährigen Krieg fast nur Menschen im Kerzenlicht malte. Die vor Leid schmachtenden Magdalenen, die ebenso erotisch auftreten wie Judith nach dem Mord an Holofernes, werden auch von profanen Szenen begleitet, die genauso moralisierend wirken sollten. Wenn eine Frau aktiv ein Kohlestück oder einen Span anbläst, ist sie meist vom horizontalen Gewerbe, das Gegenteil gilt jedoch für den Knaben von El Greco, der ein verlorenes antikes Bild zitiert. Sein Anzünden ist entweder religiösem Glaubenseifer oder dem geistigen Arbeiten des Wissenschafters zugeordnet, dem im Kopf ein Licht aufgeht. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus der Geniebegriff und auch die Aufklärung nutzte die Lichtmetapher, um die Vernunft der westlichen Welt über alle anderen zu stellen.
Auch in Still-Leben und Landschaft wandern die Lichtquellen in Renaissance und Barock ein: Oft ist die tote Natur mit Kerze gezielt als Fastenzeithinweis zu verstehen; dafür sind Wein und Hummer kein Hindernis. Mit der Figur des nächtlichen Denkers, der die betenden Mönche ersetzt, ist eine Geschichte des Vorurteils und pervertierter Genialität im 20. Jahrhundert eröffnet: Stalin gaukelte seinem Volk vor, dass die Lichter in seinem Arbeitszimmer im Kreml nie ausgingen und Hitler hielt sich für ein erleuchtetes Genie, als Maler verkannt, aber als Führer zum "Messias militans" auserwählt. Selbst Elie Wiesel strapaziert 1958 die alte religiöse Metapher des Durchwanderns einer trost- und lichtlosen "Nacht" für seine Erzählung der Zeit im Konzentrationslager. Diese Lichtlosigkeit ist in der Kunst der klassischen Moderne durch Malewitsch und sein "Schwarzes Quadrat auf weißem Grund" schon 1913 fixiert.
Schattenlos. Im Bild "Schlafender Zigeuner" 1897 hat der sogenannte "primitive" Maler Henri Rousseau das Licht des Mondes eingesetzt, um dem Vorurteilsbegriff "Volk der Nacht" eine besonders ambivalente Note zu geben. Trotz der Gefahr, die dem dunkelhäutigen, bunt gekleideten Wesen mit Gitarre durch den Löwen droht, herrscht eine lyrische Stimmung - die Schattenverteilung ist ähnlich inkonsequent wie 1327 bei Gaddi und es wird klar, warum sich die Surrealisten gern an Bildern des Zöllners Rousseau orientierten. Wer keinen Schatten wirft, ist nicht real. Doch er steht dem Deuten der Träume und damit Sigmund Freuds Psychoanalyse nahe. René Magritte hat zahlreiche Lichtspiele in seine oft spitzfindigen und auch mit Wort- und Denkspielen verrätselten Gemälde eingebaut. Da werden brennende Kerzen vor nächtlichem Meer zu Schlangen, Laternen leuchten bei Tag und die Sonne bei Nacht wie es zuvor nur einen unsichtbaren Bogen von Sonne und Mond in einer Szene gab. Nach antiken Reliefs gibt es den paradoxen Auftritt beider Gestirne in einem Gemälde wie der "Alexanderschlacht" Albrecht Altdorfers. Die Darstellung von Zeit ist mit der Abstraktion wieder bei ikonischer Dauer angelangt - doch die flackernden Lichter im Dunklen sind in der malerischen Fotografie aktuell bedeutend.