Sonderausschuss des EU-Parlaments legt Empfehlungen für den Kampf gegen Steuervermeidung vor.
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Brüssel. Mehr Zusammenarbeit zwischen den Staaten, mehr Transparenz, mehr Druck aus der EU-Kommission, mögliche Strafmaßnahmen gegen kooperationsunwillige Unternehmen: Als Konsequenz aus der so genannten "Lux Leaks"-Affäre fordert das EU-Parlament Maßnahmen gegen Steuervermeidung und -flucht. Der Entwurf des Berichts des zuständigen Sonderausschusses liegt nun vor; im November soll das Plenum des Abgeordnetenhauses über das Dokument abstimmen.
Zu dem Zeitpunkt wird ein Jahr vergangen sein, seit die Enthüllungen eines Recherchenetzwerks zur breit angelegten Steuervermeidung durch internationale Konzerne, die Regelungen in Ländern wie Luxemburg begünstigt haben, für Empörung gesorgt hatten. Aufgezeigt wurden dabei hunderte von Fällen, in denen Großunternehmen durch Vergünstigungen in einem Land sich vor der Steuerlast in einem anderen Staat drücken. Bei diesen Vorabsprachen mit den Finanzbehörden halfen den Firmen oft weltweit agierende Wirtschaftsprüfer wie PricewaterhouseCoopers. Solche Möglichkeiten wurden Konzernen wie Apple, Amazon, Google oder Ikea nicht nur in Luxemburg eingeräumt. Die EU-Kommission prüft derzeit Steuerdeals im Großherzogtum, in Irland und in den Niederlanden.
Das EU-Parlament wiederum richtete den Sonderausschuss ein, der sich seit Ende Februar mit dem Thema befasst. Die Arbeit des Gremiums gestaltete sich schwierig, denn nicht alle Beteiligten, die die Mandatare befragen wollten, waren zur Auskunft bereit. Zahlreiche Konzerne hätten sich geweigert, vor dem Ausschuss aufzutreten, berichtet die SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner: "Amazon, Fiat und die Großbank HSBC haben mit Verweis auf die laufenden Untersuchungen durch die EU-Kommission abgesagt. Zuletzt hatte auch Ikea abgewunken, einen Vertreter zu schicken - aus Zeitmangel, wie es hieß." So stellten sich nur vier der 18 eingeladenen Firmen den Fragen des Ausschusses. Die meisten Finanzminister der EU-Staaten fanden übrigens auch keine Zeit.
Treffen mit Juncker
Ebenso wenig hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in dem Gremium Stellung bezogen. Der frühere langjährige Ministerpräsident und Finanzminister Luxemburgs ist in der Affäre selbst unter Druck geraten. Eine Aussprache im Parlament ist zwei Mal abgesagt worden, wegen der Krisenverhandlungen um die Finanzhilfe für Griechenland. Nun wurde ein neuer Termin festgelegt: Der Ausschuss erwartet Juncker gemeinsam mit Währungskommissar Pierre Moscovici am 17. September.
Doch auch nicht alle Mitgliedstaaten lieferten der Volksvertretung die gewünschten Antworten, etwa zu Fragen nach den nationalen Regelungen, Steuerabsprachen oder Bemühungen im Kampf gegen Steuerflucht. Dazu gehören Bulgarien, Rumänien, Zypern, Italien, Dänemark, Slowenien - und Österreich.
Daher beklagte auch der EU-Mandatar und Ko-Berichterstatter des Sonderausschusses Michael Theurer immer wieder den schwachen Willen zur Zusammenarbeit. Dennoch sieht der deutsche Liberale in der Arbeit des Gremiums einen wichtigen Schritt zu einem "fairen Steuerwettbewerb". Der Bericht zeige, dass sich einerseits in der Vergangenheit etliche Mitgliedstaaten regelwidrig verhalten hätten und auf der anderen Seite ein umfassender EU-Rechtsrahmen nötig sei. Auch wenn am Prinzip der Steuerhoheit der Länder nicht gerüttelt werden soll, "werden diese doch Kompetenzen abgeben müssen", meint Theurer.
Das aber fällt den Mitgliedern schwer - trotz der Deklarationen zum verstärkten Kampf gegen Steuerbetrug. Immerhin haben mittlerweile alle Staaten in einen automatischen Austausch von Kontodaten eingewilligt, und die grenzüberschreitende Weitergabe von Informationen über Steuerabsprachen steht ebenfalls zur Diskussion. Doch schon die Versuche der Kommission zur Fixierung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer sorgen für Zwist.
Solch eine Regelung aber würde das EU-Parlament begrüßen. Zu seinen Forderungen zählen vor allem mehr Kooperation zwischen den Ländern und Transparenz. So sollten nationale Maßnahmen zur Steuervermeidung an die EU-weiten und globalen Bemühungen in diesem Bereich angepasst werden. Denn obwohl die Integration der EU in den letzten 30 Jahren weit fortgeschritten sei, hätten sich die Steuersysteme der Mitgliedstaaten kaum angenähert, heißt es in dem Rohbericht.
Die Parlamentarier plädieren dafür, nicht nur länderübergreifende sondern auch nationale Steuerabsprachen offenzulegen. Dieser automatische Datenaustausch sollte kontrolliert werden. Eine zentrale Stelle sollte dann die Deals darauf prüfen, ob sie negative Auswirkungen auf andere Staaten haben. Die EU-Kommission wiederum wird aufgerufen, mehr Druck auf die Länder auszuüben, die Regeln einzuhalten.
Sanktionen würden die Berichterstatter gerne gegen jene Konzerne verhängt sehen, die die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss verweigert haben. Diese Firmen sollten aus dem Transparenzregister für Lobbyisten gestrichen werden. Den Kontakt mit EU-Vertretern könnte dies erschweren, aber nicht unmöglich machen. Denn die Eintragung in die Liste ist sowieso freiwillig.