Mercedes muss sich wegen erhöhter Stickoxid-Werte bemühen, nicht in Nähe des VW-Skandals gerückt zu werden.
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Stuttgart. (rs) Es ist noch gar nicht so lange her, da war eine Bilanzpressekonferenz für Daimler-Chef Dieter Zetsche nicht ausschließlich eine vergnügliche Sache. 2014 etwa musste der Manager mit dem markanten Schnauzbart nach einem schlecht gelaufenen Vorjahr einen neuerlichen Gewinneinbruch vermelden. Mercedes fuhr damals der Premiumkonkurrenz aus München und Ingolstadt nicht nur bei den Absatzzahlen hinterher, auch bei den wichtigen Umsatzrenditen lag man abgeschlagen hinter BMW und Audi.
2016 sieht die Sache allerdings ganz anders aus: Diesmal kann Zetsche beim Konzerngewinn einen sprunghaften Anstieg von 36 Prozent vermelden und auch der Konzernumsatz hat um 15 Prozent auf 149,5 Milliarden Euro zugelegt. Mit einem Absatz der Hauptmarke Mercedes-Benz von 1,87 Millionen Fahrzeugen schoben sich die Schwaben zudem an Audi vorbei und lagen nur knapp hinter BMW. Und was Zetsche am meisten freuen dürfte: Bei der Umsatzrendite kommt Mercedes mittlerweile auf 10 Prozent und dürfte damit deutlich vor den Rivalen liegen, die ihre Zahlen erst im März präsentieren.
"Keine defeat device"
Auf dem Papier strahlt der Stern aus Stuttgart also so hell wie schon lange nicht mehr. Doch zum Licht gesellt sich auch zunehmend Schatten. Verantwortlich dafür ist nicht nur das immer schwächer werdende Wachstum in China, sondern auch der Mercedes C 220 CDi Blue Tec. Dieser erfüllt zwar die strenge EU-Abgasnorm Euro 6 und gehört auf dem Prüfstand zu den saubersten Autos seiner Klasse. Doch bei Nachmessungen im Straßenbetrieb, die ein Prüfinstitut vor kurzem im Auftrag des niederländischen Umweltministeriums durchgeführt hat, stand bei den Stickstoff-Emissionen auf einmal ein Wert in den Testprotokollen, der zehn Mal über der erlaubten Norm lag. Die niederländischen Ingenieure waren bei ihren Prüffahrten vor allem mit Geschwindigkeiten unterwegs, die im Stadtgebiet üblich sind. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Mercedes schon in der Vergangenheit eine Überschreitung der Grenzwerte vorgeworfen hat, fordert deswegen nun sogar einen Entzug der Typengenehmigung für die betroffene Diesel-C-Klasse.
Überschreitungen bei Stickstoffwerten sind vor allem seit dem vergangenen September gefährliches Fahrwasser. Damals hatte Volkswagen eingestanden, durch eine illegale Software die Stickstoffwerte bei den vorgeschriebenen Tests manipuliert zu haben. Bei weltweit 11 Millionen Fahrzeuge ist demnach eine sogenannte "defeat device" verbaut, die erkennt, wenn ein Fahrzeug auf dem Prüfstand steht, und dann die Abgasreinigung mit voller Leistung laufen lässt. Im Straßenbetrieb wird dagegen auf Teilbetrieb geschaltet, wodurch die Stickstoffgrenzwerte deutlich überschritten werden.
In Stuttgart will man freilich auf gar keinen Fall in die Nähe des VW-Skandals gerückt werden. Daimler habe in seine Fahrzeuge keine unzulässige Software eingebaut, die dazu führe, dass auf dem Prüfstand weit weniger Abgase ausgestoßen würden als auf der Straße, betont ein Konzernsprecher. Man widerspreche den Vorwürfen der DUH aufs Schärfste. Konzern-Chef Zetsche hatte bereits kurze Zeit nach Bekanntwerden des VW-Skandals erklärt: "Bei uns wird nicht betrogen."
Dass die niederländischen Prüfer trotzdem Stickoxid-Werte gemessen haben, die weit über der Norm liegen, wird bei Daimler vor allem mit den "bemerkenswert niedrigen Temperaturen" erklärt, die bei den Testfahrten unter zehn Grad lagen. Demnach gibt es bei der C-Klasse eine Vorrichtung in der Motorsteuerung, die unter diesen Bedingungen die Stickoxid-Reinigung verändert. Notwendig ist das laut Daimler vor allem, um den "Motorschutz und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten". Bei der DUH hält man diese Erklärung für zynisch. "Offensichtlich werden die Motoren geschützt, dafür aber jemand anderes belastet, nämlich die Menschen, die unter den Abgasen leiden", wird Geschäftsführer Jürgen Resch von "Spiegel Online" zitiert.