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Licht und Schatten und 40 Prozent

Von Konstanze Walther

Politik
Donald Trump von hinten beleuchtet bei einer Wahlveranstaltung in Nebraska.
© reuters/Jonathan Ernst

Die USA müssen am 3. November zwischen zwei weißen Männern wählen, die für diametral unterschiedliche Werte stehen. Die eingeschworene Fangemeinde von Trump lässt sich durch nichts beirren, fraglich ist, ob Biden den Rest mobilisieren kann.


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Donald Trump war angetreten mit dem Versprechen, keinen Stein auf dem anderen zu lassen. In gewisser Weise ist ihm das auch gelungen. Er hat in einem ersten Home-Run die Steuern massiv gesenkt und die Börsen befeuert. Dann hat er einen Handelskrieg mit China begonnen. Nebenbei das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aufgekündigt und durch ein neues Abkommen mit dem alten Inhalt, aber einem neuen Namen ("USMCA" - für USA, Mexiko, Kanada) ersetzt.

Im August 2017, als ein Vertreter US-amerikanischer Neonazis mit seinem Auto in eine Gruppe fuhr, die gegen den Aufmarsch der Rechten in Charlottesville protestierten, ließ sich Trump lange Zeit, um auf den Vorfall einzugehen. Als er schließlich später von einem Reporter gefragt wurde, sagte Trump, er prüfe eben alle Fakten und würde nicht schnell Aussagen treffen. Gerade er, der auf Twitter gerne Falschmeldungen weiterverbreitet, weil sie ihm "interessant" erschienen. Doch bei Charlottesville wollte er niemanden vorverurteilen, und von David Duke, dem Anführer des Ku-Klux-Klan, der dort die Menge angestachelt hatte, wollte Trump noch nie etwas gehört haben. Aber: "Es gibt sehr feine Menschen auf beiden Seiten", sagte Trump damals im Interview. Dass sich Trump nicht klar und sofort gegen die neuen Rechten positioniert hatte, machte viele Bürger fassungslos. Unter anderem Joe Biden, der diese Aussage später als seine Hauptmotivation nannte, doch noch einmal für das Amt des US-Präsidenten zu kandidieren.

Impeachment und Proteste

2018 kam der Skandal um Stormy Daniels, die Pornodarstellerin, die vielleicht eine Affäre mit Trump gehabt hat - und definitiv aus seinem Camp eine Schweigegeld-Zahlung erhalten hat. Die Treffen sollen sich bei aufrechter Ehe mit einer damals schwangeren Melania abgespielt haben, die Zahlungen flossen aus dem Fonds für Wahlkampfspenden.

Im Jahr darauf war dann die Sache mit der Ukraine. In einem Telefonat im Juli 2019 mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ließ Trump durchblicken, dass es US-Hilfen nur dann geben werde, wenn Selenskyj gegen den demokratischen Kandidaten Joe Biden oder dessen Sohn Ermittlungen aufnehmen würde. Die Demokraten sahen in dem Telefonat ganz klar einen Amtsmissbrauch: nämlich dass der Präsident Auslandshilfe für persönliche Zwecke instrumentalisiert.

Die Ukraine-Affäre war schließlich auch der Grund, warum ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eingeleitet worden war - erst das dritte in der Geschichte der USA. Letztlich sprach der republikanisch dominierte Senat Trump von den Vorwürfen frei. Die Konservativen machten dabei aus ihrer Überzeugung kein Hehl, dass das Verfahren der Amtsenthebung ein Affront sei, dass sie den Präsidenten so oder so freisprechen werden und die zu Tage beförderten Fakten gar nicht würdigen wollen. Selbst auf die Vorladung von Zeugen wurde verzichtet, wenn es irgendwie möglich war.

Kaum war Trump freigesprochen worden, wurden die USA 2020 wie jedes andere Land auf der Welt von der Coronavirus-Pandemie eingeholt. Die Gefahr wurde aber von Trump lange heruntergespielt, er gab später selbiges sogar zu. Er habe keine Panik erzeugen wollen, sagte er zum Journalisten Bob Woodward - und nahm damit in Kauf, keinerlei Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Bekanntlich sind die Covid-Todesfälle in den USA schon lange jenseits der 200.000er-Marke. Und Trump überlegte laut, jene - demokratischen - Gouverneure, die es wagten, Covid-Maßnahmen umzusetzen, vom föderalen Geldhahn abzuschneiden.

Im Mai 2020 wurde der Afroamerikaner George Floyd von einem weißen Polizisten getötet - und war der Auslöser für landesweite Proteste gegen Polizeigewalt. Die Proteste reißen bis heute nicht ab - auch, weil nach Floyds Tod weitere Afroamerikaner durch die Hand von Polizisten umgekommen sind. Die Demonstrationen eskalierten zum Teil - wobei es schwer ist, festzustellen, welche Seite für welche Ausschreitungen verantwortlich ist. Fix ist, dass rechte Milizen sich zum Teil aufgerufen gefühlt haben, über die Grenzen von Bundesstaaten zu reisen, um die Situation weiter anzuheizen.

Stabile Zustimmung

Die (erste?) Amtszeit von Trump war also voll mit Ereignissen, die bei Politikern normalerweise ein großes Fragezeichen über die Wiederwahlchance setzen. Nicht so Trump: Während sich andere Präsidenten bei solchen Großereignissen mit Beliebtheitswerten konfrontiert sehen, die wie Fieberkurven wild nach oben oder unten ausschlagen, kann sich Trump konstanter Werte erfreuen. "Trumps Zustimmungswerte waren über die gesamte Amtszeit bei rund 40 Prozent", erklärt etwa Chris Jackson, Experte für Datenerhebungen beim Medienkonzern Reuters. "Das zeigt, wie sehr Trumps Botschaften bei seinen Anhängern haften." Und es erinnert auch daran, dass Trump einst gesagt hatte, er könnte mitten in Manhattan jemanden erschießen und seine Umfragewerte würden trotzdem nicht darunter leiden.

Fakten von den linken Medien werden ausgeblendet: Trump-Fans wählen ihn, weil er gegen das "Establishment" ist, weil sowieso das Ausland verantwortlich ist, weil sonst bei den Protesten die USA abbrennen, weil Trump die Steuern senkt - und weil es kurzweilig ist, ihm zuzuhören.

Trump hat einen überproportional hohen Wiedererkennungswert: Der Mann wurde von Fernsehshows schon lang vor seiner offiziellen politischen Laufbahn zu seinen politischen Einschätzungen gefragt, weil Anecken, Poltern und Schwarz-Weiß-Denken im Fernsehen Quote bringt.

Dagegen haben sich die Demokraten mit Joe Biden auf jemanden geeinigt, der vor allem verbindlich ist - und bloß nicht zu extrem. Beobachter haben Biden schon einen Prototypen der US-Demokraten genannt. Weißer Mann aus der Mittelschicht, der Steuern will, aber auch nicht zu viel, der Frauen respektiert, aber selber keine ist, der Minderheiten respektiert - und selber keiner angehört. Biden ist dafür jemand, der alle grauen Schattierungen zwischen Schwarz und Weiß kennt, dessen lebenslanges Ziel es war, US-Präsident zu werden, und der in den 1970er Jahren, als Trump als Sohn eines Immobilienmoguls seine ersten Käufe tätigte, als bisher jüngster Senator in den Kongress gewählt wurde.

Obwohl beide ähnlichen Alters sind, waren auch privat ihre Wege höchst unterschiedlich. Trump genoss in den 1970er Jahren ein glamouröses Leben mit Partys und Frauen in Manhattan, während Joe Biden mit der ersten einschneidenden Tragödie in seinem Leben fertig werden musste. Seine Frau und die gemeinsame Tochter verstarben bei einem Autounfall, Biden war fortan Alleinerzieher der überlebenden zwei Söhne und pendelte täglich zwischen seinem Arbeitsplatz Washington und seinem Zuhause in Delaware. Das ständige Zugfahren, eine Gewohnheit, die er bis zu seiner Zeit als Vizepräsident unter Barack Obama aufrechterhalten hatte, brachte ihm den Spitznamen "Amtrak-Joe" ein. Amtrak ist das US-Äquivalent der ÖBB.

1988 bewarb sich Biden das erste Mal um das demokratische Ticket, stieg aber recht bald schon aus dem Wahlkampf aus und übte weiterhin - bis 2008 - das relativ beschauliche Amt des Senators von Delaware aus, froh über sein zweites Familienglück mit seiner neuen Frau Jill.

Weniger beschaulich ging es im New York von Donald Trump zu. Ein Immobilienprojekt folgte dem nächsten, und die Marke Trump als Goldstandard musste ebenfalls gepflegt werden. Legendär sind seine Anrufe bei den diversen Boulevardblättern, in denen er über sich in der dritten Person spricht und seinen Namen lobt. In den 1990er Jahren rief er etwa selbst beim Boulevard-Blatt "New York Post" an, um den Journalisten zu erzählen, dass die Frau, mit der er gerade seine erste Ehefrau betrogen hatte, finde, er sei der beste Sexualpartner, den sie je hatte. Die Titelseite wurde legendär - und trug zum Bekanntheitsgrad Trumps bei.

Ob Trump das Amt behält oder ob Biden Erfolg haben wird, getrauen sich derzeit keine Meinungsforscher zu sagen. Sicher ist, dass Biden beim Popular Vote vorne liegt, also dass die meisten Stimmen für den ehemaligen Vizepräsidenten abgegeben werden. Aber das ist aufgrund des Wahlmänner-Systems in den USA nicht ausschlaggebend. Fraglich ist nun, wie sich die 40 Prozent, die Trump jedenfalls wählen, auf die umkämpften Bundesstaaten aufteilen.