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Lichte Reihen

Von Nina Flori

Politik

Die Partei-Granden blieben diesmal von Pfeifkonzerten verschont.


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Wien. Auch im Jahr 2017 war der Maiaufmarsch der SPÖ-Delegationen aus den verschiedenen Bezirken zum Wiener Rathaus noch ein Spektakel, bei dem es viel zu sehen gab. Der Ring war gesperrt, rote Fahnen wurden geschwungen, Menschen hielten Transparente mit Aufschriften wie "Leistbares Wohnen für alle" in die Luft und Musikkapellen sorgten für musikalische Untermalung.

Bundeskanzler Christian Kern pochte in seiner ersten Ansprache zum 1. Mai auf die Anhebung des Mindestlohns, er versprach Maßnahmen, um der Steuervermeidung von Konzernen entgegen zu wirken, und betonte, dass ältere, arbeitslose Menschen Chancen erhalten müssten, um wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Die Genossinnen und Genossen applaudierten. Pfiffe wie im Vorjahr blieben aus.

Doch so sehr man sich auch um gute Stimmung bemühte, der SPÖ bläst ein rauer Wind entgegen - und das nicht nur aufgrund des kühlen Mai-Wetters. Mehrere Ältere, die schon viele Jahre lang an der Kundgebung teilnehmen, sind sich einig: Die abnehmende Bedeutung der SPÖ zeigt sich nicht nur anhand der Umfragewerte, sondern spiegelt sich auch am Rathausplatz wider: Die Reihen lichten sich.

"Ich begleite das schon seit 40 Jahren und bemerke schon, dass die Teilnahme abnimmt und dass immer weniger junge Leute bereit sind, mitzumachen", meint etwa Franz Knasmüller, der den Aufmarsch vom Gehsteig des Rings aus beobachtete. Der Psychoanalytiker ist kein Parteimitglied der SPÖ, wollte aber durch seine Teilnahme an der Kundgebung "ein Stück Solidarität" zeigen, wie er sagt. "Ich fürchte, dass es die Veranstaltung in dieser Formation nicht auf Dauer geben wird."

Auch die Pensionistin Waltraud Widor, die schon seit Kriegsende jeden 1. Mai am Rathausplatz verbringt, beklagt, dass immer weniger Menschen kämen. "Früher als es uns schlechter gegangen ist, haben wir viel mehr zusammengehalten", sagt sie. Traurig sei das, dass es heute anders sei.

Innerhalb der Partei nimmt man den Rückgang der Besucherinnen und Besucher wahr. "Nachdem ich schon 60 Jahre dabei bin, habe ich natürlich ganz andere Zeiten erlebt", meint Ilse Graf, Bezirksrätin im 23. Bezirk. "Es ist halt der Lauf der Zeit, dass das Interesse nicht mehr so groß ist." Dem diesjährigen Aufmarsch blickte Graf ohnehin mit gemischten Gefühlen entgegen. Wie vielen Parteimitgliedern sitzt ihr noch der Schock vom Vorjahr in den Knochen: "Ein Pfeifkonzert gegen den amtierenden Bundeskanzler ist für mich so was von indiskutabel", sagt sie und schüttelt erbost den Kopf.

Sozialdemokraten gegen Sozialdemokraten

Auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl wird den 1. Mai 2016 wohl nicht so schnell vergessen: "Das Vorjahr war eine Katastrophe, das habe ich auch im Nachhinein immer wieder gesagt", sagte er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Rande der Kundgebung. Es habe bewirkt, dass Sozialdemokraten gegen Sozialdemokraten gewesen seien. "Das war eine ziemlich schlimme Geschichte, die nun Gott sei Dank überwunden ist."

Besonders geeint, scheint die SPÖ - zumindest die Wiener SPÖ - jedoch auch im Mai 2017 nicht. Häupl musste am Landesparteitag am Samstag mit 77,4 Prozent Zustimmung einen historischen Tiefstwert einstecken. "Dass ich mir, was das Wahlergebnis betrifft, etwas weniger Selbstbeschädigung erwartet hätte, ist klar", sagte Häupl. "Ich bedauere halt, dass man mit diesem Ergebnis eigentlich nur mehr über das Ergebnis diskutiert, aber eigentlich nicht, über was man diskutieren sollte, nämlich über Politik."

Auch Wohnbaustadtrat Michael Ludwig hat sich wohl mehr als 67,8 Prozent Zustimmung erhofft. Am 1. Mai zeigte er sich trotzdem optimistisch: "Ich sehe durch eine deutliche Zweidrittel-Mehrheit eine Zustimmung und freue mich, dass ich mich damit in der SPÖ Wien auch stark einbringen werde", meinte er. Die SPÖ Wien befinde sich derzeit in einer Phase der Orientierung. Das bedeute natürlich, dass es auch immer wieder Irritationen gebe, die auch auf einem Landesparteitag Niederschlag fänden, wo man sich ja auch inhaltlich und personell austausche. Die Frage, ob er mit knapp 68 Prozent Zustimmung genug Unterstützung in der Partei für eine mögliche Häupl-Nachfolge habe, wollte er nicht beantworten. Zuerst gelte es, ein gutes Ergebnis bei der Nationalratswahl zu erzielen, erst dann würde man Weichenstellungen treffen.

Dass die Nationalratswahl wie geplant 2018 stattfinden werde, bekräftigte Kern in seiner Rede einmal mehr. "Die Arbeit in der Bundesregierung ist nicht immer ein Wellnessaufenthalt für uns alle." Österreich stehe aber vor jeder Parteitaktik.

"Uns nicht nur mit uns selbst beschäftigten"

Nach den schlechten Wahlergebnissen am Landesparteitag der Wiener SPÖ rief Kern zur innerparteilichen Geschlossenheit auf. "Es ist eine Frage des Respekts, dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen, sondern mit den Sorgen und Nöten der 95 Prozent, die wir zu vertreten haben", sagte er. Eine Verpflichtung sei es zudem, gegen "den rechten Mief" zu kämpfen, der wieder aus "allen Löchern" krieche. "Darum dürfen wir nie vergessen, der wahre politische Gegner ist nicht in unseren eigenen Reihen zu suchen."

Inwieweit Kerns Worte die in links und rechts zerklüftete Basis besänftigen, bleibt abzuwarten. Dass die Grabenkämpfe in den eigenen Reihen rasch zum Erliegen kommen, scheint jedoch unwahrscheinlich.