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Liebäugeln mit Freiwilligenheer

Von Peter Wötzl

Politik

Roter Schwenk in Sachen Heer ist so gut wie fix. | Wien. Die Stoßrichtung ist klar erkennbar: Die SPÖ liebäugelt mit einem Freiwilligenheer. Seit der Sitzung des roten Parteipräsidiums am Mittwoch sind die Weichen in Richtung Neuausrichtung des österreichischen Bundesheers mehr oder weniger gestellt. Es geht jetzt nur noch darum, der Abkehr von der allgemeinen Wehrpflicht den entsprechenden Rahmen zu verpassen. | Analyse: Ein Ass im Talon


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"Ein Freiwilligenheer als Alternative zur Wehrpflicht ist wert vertieft zu werden", sagte gestern SPÖ-Chef Werner Faymann. Das sei breite Meinung des Parteipräsidiums gewesen. Verteidigungsminister Norbert Darabos ergänzte: "Es kristallisierte sich heraus, dass Alternativen zum jetzigen Wehrsystem durchaus wünschenswert sind." Er will nächste Woche mögliche Varianten zur Zukunft des Bundesheeres präsentieren. Etwa was die Truppenstärke, Besoldung und die Aufgaben sein könnten. Dann könnte sich die SPÖ auch bereits offiziell auf ihr favorisiertes Modell einer Freiwilligenarmee festlegen.

Darabos: "Ein freiwilliges Heer würde nicht teurer kommen. Vielleicht sogar billiger als das derzeitige System." So falle etwa die laufende Ausbildung von Grundwehrdiener weg. Bevor es aber zu einer Entscheidung kommt, sollen in den nächsten Tagen auch Gespräche mit dem Koalitionspartner ÖVP geführt werden.

11.000 Soldaten für eine Berufsarmee

Die bisher durchgerechneten Modelle würden laut Darabos 10.000 Soldaten für Katastropheneinsätze, 1000 Soldaten für Auslandseinsätze sowie die Abdeckung für die "theoretische" Möglichkeit der Landesverteidigung miteinbeziehen. Darabos zeigte sich überzeugt davon, genügend Personen für ein Freiwilligenheer bekommen zu können. Man werde auch Anreizsysteme schaffen, etwa finanzielle Anreize in Sachen Ausbildung aber auch Unterstützung bei der Rückkehr in die Privatwirtschaft.

Offen gab sich Kanzler Faymann gegenüber einer möglichen Volksbefragung über die Zukunft des Bundesheeres: "Ich scheue mich nicht davor." Aufhorchen ließ Faymann, als er dann weiter meinte, wenn alle Parteien derselben Auffassung über das Heer seien, brauche es keine Volksbefragung. Für Darabos ist die Einbeziehung der Bevölkerung in dieser Frage "unbedingt notwendig".

Konkret wurde die SPÖ auch zum Ersatz für den Zivildienst, der bei einem Freiwilligenheer wegfallen würde. Das von Sozialminister Rudolf Hundstorfer präsentierte Konzept sieht eine Aufwertung des Freiwilligen Sozialjahres vor. Das Einsatzgebiet beim Sozialjahr soll auf die Kernbereiche Soziales und Gesundheit beschränkt werden. In diesem Bereich sind im Zivildienst derzeit 8500 Personen beschäftigt. Diese Zahl will Hundstorfer auf 6400 Freiwillige senken. Die Trägerorganisationen sollen sich die Leute selber aussuchen können, das würde auch zu einer Effizienzsteigerung führen. Neben Männern sollen auch Frauen diesen Dienst leisten können. Auch die Jahrgänge sollen ausgeweitet werden. Hundstorfer: "Wieso sollen nicht auch 35-Jährige diesen Dienst leisten?"

1300 Euro brutto für den Sozialdienstleister

Die Beschäftigten wären für ein Jahr voll sozialversichert, es soll ein Mindestkollektivvertragslohn von 1300 Euro 14 Mal gezahlt werden. Hundstorfer geht von Kosten in der Höhe von 140 Millionen Euro aus. In den nächsten Wochen soll es Gespräche mit den Trägerorganisationen geben.

Aus dieser Richtung gibt es bereits erste skeptische Stimmen. Rotkreuz-Generalsekretär Wolfgang Kopetzky bezweifelte, dass mit dem von der SPÖ vorgeschlagenen Freiwilligenjahr die nötigen Beschäftigten für die Hilfsdienste gewonnen werden können. Fehlendes Personal müsste durch hauptberufliche Tätige ersetzt werden, das käme um vieles teurer. Kopetzky fordert einen runden Tisch der Trägerorganisationen ein. Auch für die Johanniter-Unfall-Hilfe ist das Freiwillige Soziale Jahr kein adäquater Ersatz für den Zivildienst. Zustimmung zum Hundstorfer- Vorschlag kommt von der Volkshilfe Österreich und der Lebenshilfe.

Gemischte Reaktionen zu den SPÖ-Wehrplänen gab es von den anderen Parteien. ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger kritisierte den Ablauf der von der SPÖ begonnenen Debatte. Bevor man über die Abschaffung der Wehrpflicht diskutiere, müsste man Aufgaben für das Heer definieren und schauen, wie diese erfüllt werden können. "Aus heutiger Sicht" gibt es für Kaltenegger aber "keinen Grund für die Abschaffung". FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hält an der Wehrpflicht fest: "Ein Berufsheer wäre eine Katastrophe." Das BZÖ sprach sich für eine Aussetzung der Wehrpflicht aus, die Grünen sind ebenso gegen die Wehrpflicht.