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Liebe Europäer, es würde jetzt ernst

Von Hermann Sileitsch

Analysen

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Die Absicht, die politische Union in Europa zu verstärken, ist so alt wie die Währungsunion. Jetzt sollte es erstmals ernst werden. Bis dato war die Forderung nach mehr Integration, nach einer "echten" Wirtschafts- oder Fiskalunion nämlich ein Lippenbekenntnis - spätestens dann, wenn nationale Kompetenzen nach Brüssel transferiert werden sollten. EU-Beamte sollen über unser Budget entscheiden? Sicher nicht!

Jetzt sind die EU und die Eurozone aber krisenbedingt an einem Punkt, wo es mit Parallelstrukturen nicht weitergeht: Die EU-Kommission darf zwar vorab Einblick in die nationalen Haushaltspläne nehmen oder Fehlentwicklungen der Mitgliedstaaten beanstanden. Aber letztlich halten immer noch die Nationalstaaten das Ruder in der Hand.

Damit die Eurozone auf Dauer Bestand haben kann, ist mehr nötig. Wie es "mehr Europa" geben kann, soll beim EU-Gipfel Ende Juni ausgebreitet werden. Das heißt: Es gibt zwar ein Ziel, aber noch keinen Weg - und es gibt etliche unüberwindbare Hürden.

Bevor die Deutschen über gemeinsame Schulden (Eurobonds) reden, wollen sie den Nachweis, dass die anderen Staaten es ernst meinen und nicht nur auf billiges Geld aus sind. Simpel formuliert: Erst wenn ein europäischer Finanzminister die Letztkontrolle über die Geldverteilung hat, wollen die Deutschen die Kohle rausrücken. Der - noch nicht einmal überall ratifizierte - Fiskalpakt sei dafür zu wenig, heißt es jetzt. Etliche Staaten wollen sich aber nicht von Kanzlerin Angela Merkel ein Sparkorsett nach dem anderen aufzwingen lassen.

Sollten die Eurobonds kommen, müssten ohnehin unweigerlich weitere Schritte folgen: Ist es denkbar, dass Irland billige Eurobonds-Kredite erhält und seine extrem niedrigen Unternehmenssteuern belässt? Dass also andere Länder die Abwanderung ihrer Jobs subventionieren? Eher nicht. Das heißt, dass Steuern und wohl auch das Pensionsantrittsalter harmonisiert werden müssten. Dann marschierte die EU endgültig in Richtung "Vereinigte Staaten von Europa", und es würde ein Jahrzehnteprojekt daraus. Die nationalen Widerstände wären enorm - und es ist fraglich, ob die Europäer das überhaupt wollen.

Deshalb war der Plan, den Weg zur engeren Zusammenarbeit mit einer Bankenunion zu beginnen- mit zentraler Aufsicht über Europas Banken, einer gemeinsame Einlagensicherung und einem Topf für Problemfällen. Wenn jetzt die Vizechefin der deutschen Bundesbank bereits fordert, dass vor der Bankenunion die Fiskalunion stehen muss, dreht sich die Debatte endgültig im Kreis. So wird das nichts mit dem Zusammenrücken Europas und einer dauerhaften Lösung der Krise.