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Programmänderungen und -anpassungen werden nicht aus Lust und Laune vorgenommen, sondern sind - wie der ORF erst kürzlich in einer Aussendung zum neuen Ö1-Programmschema versichert hat, auf die "von der Meinungsforschung festgestellten Hörgewohnheiten des Publikums" abgestimmt. Nun ist mein Vertrauen in diese Zunft - nicht zuletzt durch ihre jämmerliche "Performance" bei der jüngsten Nationalratswahl - zutiefst erschüttert, aber irgendetwas wird an ihren Erhebungen wohl dran sein, was über den Wahrheitsgehalt von Tageszeitungshoroskopen hinausgeht. Viel Hoffnung hege ich diesbezüglich freilich nicht. Und ein Blick auf weitere Neuerungen in Ö1 ab 1. Jänner 2003 scheint meinen Verdacht zu erhärten: Stichwort Lebensgenuss. Kaum eine Zeitung, in der kulinarischen Themen nicht immer mehr Platz eingeräumt wird. Es gibt sogar eine ganze Reihe von Zeitschriften, die ausschließlich dem Essen und Trinken gewidmet ist. Auch das ORF-Fernsehen nimmt sich - von Mattersberger bis Jamie Oliver, von "Schlemmerreise" bis "Aufgegabelt" oder "Gourmet Seitenblicke" - verstärkt dieses Themas an, und die "nachlese" ist ohne ihren Rezeptteil gar nicht vorstellbar.
Und was macht Ö1 im Zeitalter des fröhlichen Hedonismus? Die anregende "Moment Kulinarium"-Leiste verliert ihren Sendeplatz am Freitag um 17.09 Uhr und wird nicht etwa als eigene Sendung aufgewertet, sondern ihre Themen gehen - so wollen es die kopflastigen Programmmacher - in dem meist etwas esoterisch daherkommenden Gesundheitsmagazin "Ganz Ich - Wohlfühlen mit Ö1" auf. Wer wird da zuhören außer ein paar Hausfrauen, Hausmänner und Selbsterfahrungsgruppen? Ö1 zeigt sich mit diesem Versteckspiel von einer merkwürdig asketischen, jedenfalls lustfeindlichen Seite. Zielgruppe verfehlt. Angst vorm Bauch?