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Liebe kommt, Liebe geht

Von Christa Hager

Wissen
Die Institution Ehe wird durchleuchtet.
© Acheron Press

Die Ehe ist längst kein Versprechen mehr fürs Leben und die "ewige Liebe" hält oft nur einige Jahre.


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Verliebt sein, weiß die Wissenschaft, ist eine Mischung aus Hormonrausch, Projektion und Verlustangst. Als Wahnsinn gar, wenn der Pfeil des Amor einmal losgelassen, galt dieser Zustand wiederum den Griechen, mitunter desaströs endend, wie die Geschichte des trojanischen Krieges zeigt. Allerdings kannten die Griechen viele verschiedene Arten der Liebe: Platon etwa unterschied zwischen Eros und Philia und sah in letzterer die wahre Liebe in Form von Freundschaft, die sich aus Eros entwickeln kann. Daneben gab es auch noch Storge, eine Art freundschaftliche und familiäre Liebe, Agape (aufopfernd und selbstlos), die Pragma (vernunftbasiert) sowie Ludus (spielerisch) und Philantia, die Selbstliebe.

Die romantische Liebe wiederum ist ein modernes Konzept. Sie ist weder universell, noch ein globales Phänomen, sondern sie wird erlernt. Für viele Paare ist sie das Ideal schlechthin, die anderen Formen der Liebe vergessen lässt. Doch meist hält "die ewige Liebe" nur ein paar Jahre. Und hat es sich einmal ausgeliebt, muss man auch nicht mehr zusammenbleiben; auch die Ehe bedeutet längst kein Versprechen mehr fürs Leben. Weshalb heiraten Menschen überhaupt?

Neel Burton, For Better For Worse: Should I Get Married? Acheron Press, 2018, 220 Seiten. ISBN-10: 0992912776
© Acheron Press

Dieser Frage geht der englische Psychologe Neel Burton in seinem aktuellen Buch "For Better For Worse: Should I Get Married?" nach. In 34 voneinander unabhängigen Kapiteln untersucht er die Institution Ehe und damit verwandte Themen wie Liebe, Sexualität, Scheidung, Religion und Familie.

Das Buch ist kein Ratgeber; es vermittelt Wissen und gibt Gedankenanstöße. Auch folgt man dem Autor in andere Länder, bis weit zurück vor unserer Zeitrechnung, ins Alte Ägypten etwa, wo es keine Heiratszeremonie gab (sobald eine Braut ihre Habseligkeiten in das Haus des Bräutigams gebracht hatte, galt ein Paar als verbunden, nach Absprache natürlich) und Ehen auf Probe eingegangen wurden. Aber auch Scheidungen liefen ganz unspektakulär ab und wurden ohne Grund vollzogen, sie musste bloß von einem Teil bloß ausgesprochen werden. Des Weiteren folgt der Leser dem Autor zu frühen schriftlichen Quellen über Orgien, die ihren Ursprung in der Verschmelzung mit dem Göttlichen hatten.

Zweisamkeit als Notwendigkeit

Überhaupt, betont Burton in seinem Buch, sind sowohl Ehe als auch Monogamie relativ jung: beide wurden erst durch den Übergang zu sesshaften Gemeinschaften bedeutend - vor allem aufgrund der niedrigen Lebenserwartung und hohen Kindersterblichkeit. Auch heute noch ist in vielen Ländern die wirtschaftliche Notwendigkeit der verbrieften Zweisamkeit gegeben. Und es ist nicht außer Acht zu lassen, dass in vielen Staaten so manche Rechte und Pflichten an diesen Status gekoppelt sind, wie die Gesetze zur Gewährung von Aufenthaltsrechten oder Staatsbürgerschaft zeigen.

Doch die Gesellschaft verändert sich. Das zeigen auch die Zahlen: So sank die Heiratsrate in der EU von 7,8 Prozent pro 1.000 Einwohnern im Jahr 1965 auf 4,3 im Jahr 2015, während die Scheidungsrate von 0,8 auf 1,9 Prozent im selben Zeitraum zunahm.

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Burton führt viele Gründe für die Zunahme von Scheidungen in Europa an, darunter die steigende Lebenserwartung, zu hohe Erwartungen an die Ehe oder der Konsumismus unserer Kultur. Was die Abnahme der Zahl der Ehen betrifft, so sei der wohl gewichtigste Grund, dass das außereheliche Zusammenleben mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert ist und es Alternativen zur Ehe in Form von eingetragenen Partnerschaften gibt. Und von dieser wird in Großbritannien auch häufig Gebrauch gemacht: Die Zahl der eingetragenen Partnerschaften hat sich dort seit 2010 mehr als verdoppelt - im Unterschied zu Österreich, wo die Einträge seither abnehmen.

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Zahlen und Statistiken verwendet Burton leider nur für Großbritannien, wodurch manche seiner Thesen für andere Länder nicht gültig sind. Glücklicherweise machen Zahlen nur einen kleinen Teil des Buches aus. Den Großteil bestreiten philosophische, theologische, biologische, psychologische, historische und soziologische Betrachtungen, die mit einer Vielzahl an Themen verwoben werden, darunter die serielle Monogamie, die  Zukunft der Familie, Polyamorie, Vertrauen, Popkultur oder der Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Hierbei verweist Burton etwa auf eine im Jahr 2014 in Sciene publizierte Studie, wonach viele Menschen leichte Elektroschocks dem Alleinsein vorziehen würden. Diese soziale Angst, so Burton, wäre mit ein Grund dafür, dass viele Menschen in einer unglücklichen Ehe ein kleineres Übel sehen.

Eine Lebensweisheit

Die Themenvielfalt und die verschiedenen Fachbereiche heben das Buch von den vielen anderen, die es dazu bereits gibt, positiv ab. Dennoch ist diese Vielfalt zugleich auch seine Schwäche. Da der Autor zu viele Themen auf einmal aufgreift, hat nicht alles Hand und Fuß und manche Kapitel sind zu ungenau geraten. Trotzdem lohnt sich die Lektüre. Der Autor vermeidet den Kitsch, der sich bei diesem Thema leicht einstellt, er argumentiert fundiert und schreibt lebensnah. Auch vergisst er dabei nicht auf eine feministische Kritik der Ehe und betont unter anderem, dass ein Sozialstaat auch die Möglichkeit beinhaltet, seinen Bürgern zu ermöglichen, aus dem Korsett von Kirche und Familie zu entweichen.

Soll man heiraten oder nicht? Wer sich durch die Lektüre eine Antwort erwartet, ist schlecht beraten. Stattdessen gibt es gleich am Anfang des Buches ein Zitat von Soren Kierkegaard, das bis zum Schluss mitschwingt: "Heirate, du wirst es bereuen; heirate nicht, du wirst es auch bereuen, heirate oder heirate nicht, du wirst beides bereuen; ... Dies, meine Herren, ist aller Lebensweisheit Inbegriff."

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Wir haben die Rezension mit einigen interaktiven Statistiken angereichert, bei älteren Geräten kann es mitunter zu längeren Ladezeiten bei den Grafken kommen.