Gleicher Nenner für treue Mäuse und harmonische Paare. | Der Stoff, der Geburtswehen einleitet, hat viele Meriten. | Wien/Zürich. Das Peptidhormon Oxytocin, das in einem bestimmten Bereich des Gehirns gebildet wird, zählt wohl zu den am besten erforschten Hormonen schlechthin. Bereits im Jahr 1955 erhielt Vincent du Vigneaud den Chemie-Nobelpreis für seine Isolierung und Synthetisierung dieses und des Hormons Vasopressin zwei Jahre zuvor.
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Oxytocin bewirkt die Kontraktionen der Gebärmuttermuskulatur und löst damit die Geburtswehen ebenso aus wie die Milch ejektion zum Stillen des Babys. Seine Synthetisierung war ein enormer Segen für unzählige Frauen und Kinder - in dieser Form (Syntocinon®) wird es bis heute in der klinischen Geburtshilfe immer dann eingesetzt, wenn die Wehen nicht in Gang kommen.
Doch neben diesen physiologischen Wirkungen hat sich gezeigt, dass das Hormon noch viel mehr kann. Verschiedene Studien in den letzten Jahren haben wiederholt den Nachweis dafür erbracht, dass Oxytocin im Gehirn von Säugetieren - und damit natürlich auch von Menschen - die Regulation des Sozialverhaltens mitbestimmt.
Polygam und monogam
Augenscheinlich wurde dies bei Untersuchungen an lebenslang monogamen Präriewühlmäusen und polygam lebenden Bergwühlmäusen. Injizierte man den Erstgenannten einen Oxytocin-Antagonisten, also einen "Gegenspieler" des Hormons, zeigten sie keine längerfristigen Bindungen mehr. Grund dafür ist, wie weitere Forschungen belegten, eine unterschiedliche spezifische Oxytocin-Rezeptorenverteilung in den Hirnen der beiden Mausarten.
In der Folge nahmen sich auch Neurobiologen des Stoffes an und kamen zur Erkenntnis, dass er nicht nur das Stresshormon Cortisol unterdrückt und dadurch den Geburtsvorgang erträglicher macht, sondern sogar lustvolle Gefühle auslösen kann. Dadurch werde, so die Vermutung, die emotionale Bindung der Mutter an das Kind verstärkt.
Insbesondere an der Universität Zürich haben sich Wissenschafter in den letzten Jahren um weitere Oxytocin-Erkenntnisse verdient gemacht. Zuletzt ließen Beate Ditzen und ihre Kollegen vom Psychologischen Institut dieser Universität aufhorchen, als sie das Hormon speziell in Bezug auf das Verhalten in Partnerschaften untersuchten.
Positives Verhalten
Dabei bestätigte sich, dass Oxytocin auch bei sich streitenden Paaren das Stresshormon Cortisol reduziert. Zudem verstärkt es das positive Verhalten bei der Konfliktbewältigung, wie die Forscher in der Fachzeitschrift "Biological Psychiatry" berichteten.
Die Wissenschafter baten 47 Paare im Alter zwischen 20 und 50 Jahren, im Labor über ein für sie typisches Konfliktthema zu streiten. Vor dieser Diskussion erhielten die Paare entweder Oxytocin oder ein Placebo als Nasenspray. Dann wurde das Verhalten der Paare per Video aufgezeichnet und mithilfe eines Kodiersystems analysiert.
Außerdem wurde das Stresshormon Cortisol bei beiden Partnern wiederholt im Speichel gemessen, um die psychobiologische Stressreaktion auf den Konflikt zu erfassen. Ditzen und Kollegen werteten nun das positive Verhalten wie etwa Zuhören, Bestätigen oder Lachen während des Konflikts im Verhältnis zum negativen Konfliktverhalten wie Unterbrechen, Kritisieren oder Abwerten aus. Und zogen deutliche Schlüsse daraus.
Gesunde Zärtlichkeit
"Paare, die Oxytocin erhalten hatten, schnitten signifikant positiver ab als Paare mit Placebo", fasst Ditzen das Resultat zusammen. Oxytocin verlängerte die Dauer des positiven Verhaltens im Verhältnis zum negativen Verhalten. Zudem waren auch die Cortisolwerte der Paare, die Oxytocin erhalten hatten, nach dem Konflikt niedriger als die der Placebo-Gruppe.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Oxytocin als neuronaler Mechanismus das Verhalten und die Stressreaktion bei Partnerschaften beeinflussen kann. Auch die Resultate einer früheren Studie, wonach Zärtlichkeit im Alltag von Paaren die Cortisolwerte vermindert, könnten auf die Wirkung von Oxytocin im Gehirn zurückzuführen sein. Ditzen: "Oxytocin ist damit ein möglicher biologischer Kandidat, der auch erklären könnte, warum sich Partnerschaften so positiv auf unsere Gesundheit auswirken."