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"Liebelei" im Trendkostüm

Von Hermann Schlösser

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Arthur Schnitzlers Drama "Liebelei" erzählt die Geschichte von einem "süßen Mädel" namens Christine. Sie hat sich mit dem Offizier Fritz eingelassen. Das Problem ist aber, dass Christine den Fritz im Ernst liebt, während er alles tut, um den unverbindlichen Rahmen der "Liebelei" nicht zu überschreiten. Diese Asymmetrie der Gefühle endet, wie sie enden muss: tragisch und tödlich.

Am Samstagabend konnte man das traurige Stück in 3sat anschauen: Aufgeführt wurde es vom Hamburger Thaliatheater in einer Inszenierung von Michael Thalheimer. Der Regisseur verfuhr mit der "Liebelei" wie Stanley Kubrick in "Eyes wide shut" mit Schnitzlers "Traumnovelle": Er verlegte die Handlung ins trendige Milieu heutiger Jugendlicher - und kümmerte sich nicht darum, dass Schnitzlers Dramatik an Zeit und Raum des Wiener Fin de Siècle gebunden ist. Zum Beispiel stirbt Fritz während eines Duells. Diese Todesart möchte man heutigen Jugendlichen eigentlich nicht zumuten. Der Zeitverschiebung entsprach eine stilwidrig übertriebene Art der Darstellung: Was Schnitzlers Text in der Schwebe lässt, wurde durch überzeichnete Gesten eindeutig. Ganz überzeugend war das nicht. Wenn es trotzdem beeindruckend war, dann lag das an einer sehr intensiven Schauspielerin: Maren Eggert in der Rolle der Christine. Sie trieb dem "süßen Mädel" zwar alle Süßigkeit aus, zeichnete aber gerade dadurch das berührende Porträt einer verzweifelten Frau, die einen Mann liebt, der von ihr nichts wissen will.