Lager aufräumen, Teller waschen oder Erdbeeren pflücken - für derartig unattraktive Jobs bewerben sich in Deutschland weniger Menschen als die Situation mit lahmender Konjunktur und hoher Arbeitslosigkeit es vermuten ließe.
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Auch gut ein halbes Jahr nach In-Kraft-treten der Arbeitsmarktreform Hartz IV haben Einzelhändler, Bauern oder Zeitarbeitsunternehmen eher Probleme, solche Stellen zu besetzen. Von einem Bewerberansturm ist keineswegs die Rede. Zudem fehlt den Kandidaten oft die Qualifikation. "Langzeitarbeitslose sind nur eingeschränkt einsetzbar", heißt es beim Einzelhandelsverband HDE. Zwar gebe es etwas mehr Bewerber als noch vor einem Jahr, doch für Lager- und Kassenjobs, Aufräum- oder Putzarbeiten nähmen die Unternehmen lieber Studenten, Schüler oder Hausfrauen. Diese ließen sich oft schneller anlernen.
2004 zählte der Einzelhandel gut 944.000 geringfügig Beschäftigte. Insgesamt sind in der Branche fast 2,5 Millionen Menschen tätig. Schon lange vor der Erntesaison hatte auch Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner einheimische Erntehelfer als unzuverlässig kritisiert, weil sie sich allzu schnell krank meldeten. "Deutsche Langzeitarbeitslose sind in der Landwirtschaft zwar schon willkommen, aber mit Polen haben wir bessere Erfahrung gemacht", sagt eine Verbandssprecherin. Die schwere körperliche Erntearbeit in oft gebückter Haltung müsse bei Wind und Wetter über mehrere Wochen verrichtet werden.
Im vergangenen Jahr seien in der deutschen Land- und Forstwirtschaft 324.000 ausländische Saisonkräfte tätig gewesen, die meisten aus Polen. Die Zahl der deutschen Saisonarbeiter sei statistisch jedoch nicht erfasst. Durchschnittlich werde für derartige Arbeiten pro Stunde zwischen 5 und 5,50 Euro gezahlt.
"Wir haben nur einen geringen Zulauf an Hartz IV-Bewerbern", berichtet auch Petra Timm von der deutschen Zeitarbeitsfirma Randstad.
Auch nach Angaben des Arbeitskräfteüberlassers Manpower sind seit Hartz IV zwar etwas mehr Bewerber zu verzeichnen, doch diese seien meistens nicht genügend qualifiziert. Viele wüssten noch nicht einmal, wie man bei einem Bewerbungsgespräch auftritt. "Wer in verschlissenen Jeans mit ausgeleiertem T-Shirt und einer losen Blattsammlung als Bewerbung ankommt, kann nicht viel erwarten", so eine Sprecherin. Zudem suchten Zeitarbeitsfirmen längst nicht mehr nur einfache Aushilfen.
In der deutschen Hotel- und Gastwirtschaft wird hingegen ein größeres Interesse an Niedriglohnarbeiten registriert. "Der Druck durch die konjunkturelle Lage ist eindeutig zu spüren", sagt eine Sprecherin des Branchenverbands DEHOGA. Jobs wie Küche schrubben, Gläser spülen oder Zimmer putzen seien mehr gefragt als vor dem in Kraft treten der Arbeitsmarktreform Anfang Jänner. Und auch bei McDonalds, dem mit 1.262 Betrieben und 47.000 Mitarbeitern größten Gastronomieunternehmen in Deutschland, heißt es: "Viele müssen den Gürtel enger schnallen, das spürt man bei den Bewerberzahlen.dpa