Corona hat die Konsumgewohnheiten stark verändert. Gewinner und Verlierer nach zwei Jahren Pandemie.
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Homeoffice, ein stark eingeschränktes Kulturleben, keine Bälle: Wer hat da noch Lust auf Shopping? Kein Wunder, dass die Modebranche zu den Verlierern der nun schon fast zwei Jahre andauernden Corona-Pandemie zählen. Im Vorjahr gingen die Umsätze im Schuhhandel im Vergleich zu 2019 nominell um 26,3 Prozent zurück. Bei den Bekleidungshändlern betrug das Minus 19 Prozent.
Ausstaffiert wurden hingegen die eigenen vier Wände: Baumärkte verzeichneten ein Umsatzplus von 14,2 Prozent, der Möbelhandel legte im Vergleich zu 2019 um 7,3 Prozent zu. Deutlich ist auch der Unterschied zwischen den Lebensmittelgeschäften (plus 10,8 Prozent) und dem Non-Food-Bereich (minus 1,6 Prozent). Online gab es ein Plus von 18,4 Prozent gegenüber 2019.
Verschobene Prioritäten
Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, wie sich bei den Konsumenten die Prioritäten verschoben haben. Das Gesamtbild des Einzelhandels ist jedoch nicht so schlecht. Die Nettoumsätze betrugen im vergangenen Jahr 73,6 Milliarden Euro, nach 70,1 Milliarden im Jahr 2020, als die Pandemie ausbrach, und 70,0 Milliarden Euro 2019. Aber die Durchschnittsbetrachtung reiche nicht aus, man müsse tiefer in die Zahlen der einzelnen Branchen hineingehen, sagte Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), am Mittwoch vor Journalisten.
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"Die Bandbreite geht extrem auseinander", so Peter Voithofer vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung. Den Gesamtdurchschnitt hinaufgezogen hat die mit Abstand größte Branche, der Lebensmitteleinzelhandel. Dieser war von den Lockdowns nicht betroffenen und profitierte von der geschlossenen Gastronomie.
Insgesamt habe es 2020 und 2021 österreichweit jeweils etwa 60 Tage Lockdown gegeben, so Voithofer. Zusätzlich wurde Ostösterreich im Vorjahr eine 31-tägige "Oster-Ruhe" verordnet, in der auch der Handel abseits der Grundversorgung geschlossen blieb. Trefelik sieht in den ungleichen Rahmenbedingungen "eine massive Wettbewerbsverzerrung".
Kriseninstrument Kurzarbeit
Die Kurzarbeit sei für den Handel ein extrem wichtiges Instrument zur Bewältigung der Krise gewesen, so Trefelik. Die Mitarbeiter konnten großteils gehalten werden, die Zahl der Beschäftigten stieg gegenüber 2020 um 2,8 Prozent auf derzeit 301.300.
Für heuer stehen die Vorzeichen für den Einzelhandel günstig. Laut Wifo-Prognose dürften die Konsumausgaben der privaten Haushalte 2021 nominell um fast 10 Prozent steigen. Er hoffe, dass alle Branchen davon profitieren können, so Handelsexperte Voithofer.
Es brauche jetzt stabile und planbare Rahmenbedingungen für den Einzelhandel, betonte Trefelik. Kein Verständnis hat er für die mittlerweile wöchentlich abgehaltenen Demonstrationen in den Städten, die das Geschäftsleben lahmlegen. Im Vorjahr habe es allein in Wien 159 große Demonstrationen gegeben. Die Ringstraße sei davon 71mal betroffen gewesen, der erste Bezirk 99mal. "Heuer hatten wir bereits neun Freitage und Samstage, die mit einer Ring-Sperre einhergingen. Das ist standortpolitisch ein Wahnsinn", so Trefelik, der selbst ein Modegeschäft im 1. Bezirk betreibt.
Man müsse einen Weg suchen, wie das wichtige Recht auf Versammlungsfreiheit mit dem wichtigen Recht auf Erwerbsfreiheit kombiniert werden könne. Mit Blick auf den nächsten Herbst wünscht er sich möglichst geringe wirtschaftliche und soziale Einschränkungen. Für 2023 wünsche er sich, dass der Opernball und andere Wiener Bälle wieder abgehalten werden.