Zum Hauptinhalt springen

Lieber "Neustart" der SPÖ statt Stagnation

Von Karl Ettinger

Politik

Kritiker wollen keine Personaldiskussion, aber authentische, sozialdemokratische Politik für "ganz normale Leute".


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In Linz sah das Präsidium der oberösterreichischen SPÖ keinen Anlass für radikale Schnitte. Zwar ist die SPÖ mit 18,6 Prozent der Stimmen am Sonntag bei der Landtagswahl trotz des Absturzes der FPÖ nur mit Müh und Not über dem Rekordtief von 2015 gelandet. SPÖ-Landeschefin und Spitzenkandidatin Birgit Gerstorfer hatte außerdem die Rückeroberung von Platz zwei als Wahlziel genannt.

Trotzdem sei Gerstorfer im Präsidium nicht in Frage gestellt worden. Auch wenn sie die Vertrauensfrage nicht gestellt habe, habe man ihr Unterstützung zugesagt, meinte Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer. Erste Konsequenzen soll es nach Analysen erst beim SPÖ-Neujahrsauftakt 2022 geben. Nur eine Panne wird kurzfristig behoben: Ein roter Mühlviertler Bürgermeister verzichtet auf sein Landtagsmandat, damit SPÖ-Klubobmann Michael Lindner wieder in den Landtag einziehen kann.

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat das leichte Plus angesichts der Voraussetzungen als erfreulich gewertet. Wirklich gefreut hat sie sich aber über den Sieg der SPD in Deutschland. In der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße münzte das Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in die von der SPÖ-Spitze gern gehörte Parole um: Langer Atem zahle sich aus.

Nach außen hin wurde in der SPÖ Ruhe gewahrt. Auch jene, die mit dem Auftritt der Bundesspitze nicht immer zufrieden sind, wollten öffentlich keine Debatte neu befeuern, die der SPÖ nur schadet und der Kanzlerpartei ÖVP nützt. Intern brodelte es am Montag nach dem Abschneiden in Oberösterreich und der Krise bei der Grazer Gemeinderatswahl mit nicht einmal zehn Prozent für die SPÖ aber schon, wie zu hören war.

"Es geht mit Herz, aber auch mit Hirn"

"Wir wollen überhaupt keine Personaldiskussion", stellte Burgenlands SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" klar. Denn das sei nach dem Bundesparteitag Ende Juni "völlig sinnlos". Klar sei, "dass ein Neustart der Bewegung notwendig ist." Das betreffe freilich nicht nur die österreichische Sozialdemokratie. Bezeichnend ist der Befund Fürsts, der für Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die erfolgreiche rote Landespartei managt, nach dem Wahlsonntag in Oberösterreich und Graz dennoch: "Das einzig Erfreuliche für die Sozialdemokratie ist, dass die SPD Nummer eins geworden ist."

Mit Bezug auf das sehr schwache Abschneiden in Graz und den gleichzeitigen Erfolg der KPÖ, die dort nun stärkste Partei vor der ÖVP ist, sagte der burgenländische SPÖ-Landesgeschäftsführer: Wenn die SPÖ in der zweigrößten Stadt Österreichs ein einstelliges Ergebnis erziele, "kann man, was die Programmatik betrifft, nicht zur Tagesordnung übergehen." Die KPÖ habe gezeigt, dass man mit einer glaubwürdigen und authentischen Politik Erfolg habe: "Das geht mit Herz, aber auch mit Hirn."

Das erfordere aber "mutigere Bekenntnisse" der SPÖ, meinte er mit Hinweis auf die Forderung nach 1700 Euro Mindestlohn netto, wie das die SPÖ im Burgenland im Landesdienst umsetzt. Rendi-Wagner und die Bundes-SPÖ haben hingegen auf die Vier-Tage-Woche gesetzt. Diese wird in der SPÖ Burgenland mit Blick auf die hohen Arbeitslosenrate und viele Arbeitnehmer, die ein geringes Monatseinkommen erhalten, hingegen nicht als vorrangig angesehen.

Dahinter steckt aber auch der Streit, ob die SPÖ künftig mehr links oder rechts aufgestellt werden soll. Fürst empfiehlt, sich auf "die Mitte der Gesellschaft" zu konzentrieren, nicht bloß zu fragen, "wie schaffen wir eine linke Mehrheit". Er tritt für eine "progressive Sozialdemokratie mit einem vernünftigen, pragmatischen Kurs in der Asylpolitik" ein. Das sei ein "vernünftiges Gespann".

Ähnlich sind die Schlussfolgerungen des früheren SPÖ-Bundesgeschäftsführers Max Lercher. Es gehe um einen "inhaltlichen Fokus" samt glaubwürdigem Auftreten: "Das Fundament ist da." Der steirische Nationalratsabgeordnete wetterte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" nicht über das Abschneiden der SPÖ in Oberösterreich und Graz, sondern ortet den Auftrag, "mit klarer Kante zu zeigen, wo wir stehen".

"SPÖ hat ein Fundament, um Wahlen zu gewinnen"

"Wir haben überall ein Fundament, um Wahlen zu gewinnen", stellte Lercher fest. Es gehe darum, gemeinsam Politik zu machen für die "ganz normalen Leute". Damit will er ausdrücklich keine Eingrenzung auf die oft angesprochenen "kleinen Leute". Lercher führte als positives Beispiel die von den SPÖ-dominierten Gewerkschaften geführten Lohnverhandlungen für das breite Spektrum der Beschäftigten an.

Als Steirer wertete er den KPÖ-Erfolg mit Elke Kahr in Graz so: "Ich finde schon, dass das ein Fingerzeig ist." Zwar habe die SPÖ mit der Sozialpolitik eine Agenda. Wenn man als Partei Erster werden wolle, habe man aber zu überlegen, "wie man in die Herzen der Menschen" komme. Inhaltliche Schwerpunkte und deren Umsetzung solle die SPÖ gemeinsam und nicht öffentlich diskutieren. Auch für ihn ist Deutschlands SPD Kanzleranwärter Olaf Scholz Vorbild. Oberösterreich sieht er pragmatisch: Es sei angesichts der Voraussetzungen "in Ordnung", dass es für die SPÖ dort kein weiteres Minus gegeben habe.

Der Welser SPÖ-Stadtparteichef Klaus Schinniger war über das neuerliche Minus seiner Partei in der Stadt zwar "absolut verwundert". Er kehrte nach den roten Verlusten bei der Gemeinderatswahl vor der eigenen Tür: "Wahrscheinlich haben wird doch einiges falsch gemacht." Man habe die Ideen nicht so vermitteln können, "dass uns das die Welserinnen und Welser geglaubt haben". Er selbst habe allerdings beim Amtsantritt auch "einen wirklich zerstrittenen Haufen übernommen".

Niederösterreichs SPÖ-Chef Franz Schnabl sah als Mitgrund für das Ergebnis in Oberösterreich, dass die Landes-SPÖ mit den Themen - Arbeitsplätze, Soziales, Pflege und Bildung - Alleinkämpferin gewesen sei. Einen kleinen Seitenhieb konnte er sich nicht verbeißen: Der bundespolitische Rückenwind habe gefehlt.