Eine Studie zeigt: Bei der Karriere denken junge Menschen an Schulabschluss und Universität.
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Die Lust etwas zu wagen, sinkt in unsicheren Zeiten. Lieber folgt man ausgetrampelten Pfaden, um die Möglichkeit eines Fehlschlags zu reduzieren. Die Corona-Pandemie ist so eine unsichere Zeit. Sie beeinflusst die Lebensentscheidung von Jugendlichen, bei der Wahl zwischen Lehre und Schule. Das zeigt eine Studie des Marktforschungsinstituts Market im Auftrag von Industriellenvereinigung und Zukunft Lehre Österreich (ZLÖ): Die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler fällt die Entscheidung zwischen Lehre oder Schule schwer, die meisten bleiben schließlich in der Schule, auf der vermeintlich sicheren Seite.
Dabei suchen heimische Unternehmen händeringend nach Fachkräften. Im vergangenen Jahr waren im Schnitt 146.000 Jobs unbesetzt - ein noch nie da gewesener Rekordwert. Im Jahr 2020 waren es 102.600, 2019 waren es 128.200 Stellenangebote. Im produzierenden Bereich gab es den größten Zuwachs an offenen Stellen mit einem Plus von 50 Prozent im Jahresvergleich.
Für die Studie wurden Jugendliche der 8. und 9. Schulstufe befragt. 4 von 10 gaben an, dass die Lehrausbildung nicht attraktiv sei, sondern alt und verstaubt. Das Kennenlernen von Lehrbetrieben sei zudem schwierig, sagten 64 Prozent. Die meisten kennen nicht die Vielfalt der Job-Möglichkeiten (57 Prozent).
90 Prozent für Pflichtfach "Berufsorientierung"
Derzeit bastelt das Bildungsministerium an einem neuen Lehrplan für 2023/24. Die jetzige verbindliche Übung "Berufsorientierung" soll dann "Übergang in weiterführende Schulen" heißen. Zum Pflichtschulfach wird sie aber nicht. Für 90 Prozent der Befragten ist das der falsche Weg. Sie fordern ein Pflichtfach "Berufsorientierung."
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Gefragt wurden die Jugendlichen auch nach dem Begriff "Lehrling". 45 Prozent finden den Begriff antiquiert, er sollte modernisiert werden.
Das fordert auch die Industriellenvereinigung (IV). Der Begriff "Lehrling" soll ersetzt werden, sagt IV-Präsident Georg Knill. Auch die fehlende Berufsorientierung an Schulen kritisiert er. "Da gibt es leider wenig Bewegung." Dabei seien die Chancen auf eine Job in der Industrie "phänomenal", er verweist auch auf die sehr guten Verdienstmöglichkeiten.
Dass sich viele Jugendliche im Notfall gegen die Lehre und für die Schule entscheiden, hänge mit der Corona-Aufstiegsklausel zusammen, sagt Knill. Ein Durchfallen sei derzeit nur schwer möglich. "Das hält praktisch veranlagte Schülerinnen und Schüler von einem Umstieg in eine Lehre ab." Knill fordert daher die Abschaffung der Aufstiegsklausel.
Doch wie könnte die Lehre neben Berufsorientierung und neuem Begriff noch attraktiver werden?
Gleichwertig mit AHS und HTL
Der ehemalige Lehrling und heutiger ZLÖ-Präsident Werner Steinecker spricht sich für drei gleichwertige Wege in Richtung Matura aus. Neben den allseits beliebten Gymnasien und höheren Berufsschulen (BHS), wie etwa einer HTL, soll es auch die Möglichkeit der Lehre mit Matura geben. Jeder Bildungsweg (AHS, BHS und Lehre) soll zu attraktiven Weiterbildungsmöglichkeiten führen und keine Sackgasse sein, sagt er.
Weiters kündigt er eine österreichweite Befragung über Verbesserungsvorschläge und über eine neuen Begriff an.
Die Gleichstellung mit AHS und BHS würde die Optionen mit Lehre vergrößern. Wer doch nicht so praktisch veranlagt ist, wie er glaubt, kann dann immer noch studieren.
Im Angesicht der vielen offenen Stellen und Jobangebote würde die Lehre zu einer starken Konkurrenz zu den beiden Bildungswegen werden. Die Lust etwas zu wagen würde steigen. Und wer wagt, würde dann sogar gewinnen.