Vergleichen sind Grenzen gesetzt. | Mitarbeiter oft Druck ausgesetzt. | Wien. Zur Vermeidung oder auch Verkürzung einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung können strittige oder zweifelhafte Ansprüche durch wechselseitiges Einlenken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer außergerichtlich bereinigt werden. Dem einseitigen Verzicht des Arbeitnehmers sind zu seinem Schutz jedoch enge rechtliche Grenzen gesetzt. Ist das Arbeitsverhältnis noch aufrecht, so kann er nicht einseitig auf zwingende Ansprüche verzichten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Arbeitnehmer bei aufrechtem Arbeitsverhältnis auf Grund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Arbeitgeber unter erheblichem Druck steht und daher bei einem Verzicht auf zwingend zustehende Rechte keine freie Erklärung abgeben kann. Diese so genannte Drucktheorie bezieht sich nur auf bereits fällige Ansprüche. Zulässig wäre daher ein Verzicht auf noch nicht fällige Ansprüche, die außerdem keine zwingenden Mindestansprüche sind. Beispielsweise könnte vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer ab dem Folgemonat auf eine vom Arbeitgeber gewährte Prämie, die weder gesetzlich, noch kollektivvertraglich vorgesehen ist, verzichtet.
Diese Drucksituation entfällt bei oder nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daher kann der Arbeitnehmer dann auf zwingende Ansprüche wie beispielsweise auf einen Teil seiner Vergütung für den Resturlaub verzichten, wenn die Zahl der restlichen Tage strittig ist. Behauptet etwa der Arbeitnehmer 50 restliche Urlaubstage und der Arbeitgeber lediglich 30, so kann der Dienstnehmer (aus seiner Sicht) auf zehn Tage verzichten, um zu einer raschen Einigung und Auszahlung zu gelangen.
Kein einseitiger Verzicht
Verzichtet er jedoch pauschal oder ohne erkennbaren Grund auf Ansprüche, so liegt ein rechtsunwirksamer Verzicht vor. Wird etwa vom Arbeitgeber der Nettobetrag aus der Endabrechnung ausbezahlt und unterfertigt der Arbeitnehmer anlässlich dieser Zahlung eine nicht näher erörterte "Lohnbefriedigungserklärung" (das ist ein pauschaler Verzicht auf alle weiteren Ansprüche), so ist diese Klausel rechtsunwirksam.
Ein Vergleich ist kein einseitiger Verzicht, sondern eine Regelung strittiger Rechte unter beiderseitigem Nachgeben. Die beiden Arbeitsvertragsparteien, die den Vergleich miteinander abschließen, wünschen im Regelfall eine umfassende Bereinigungswirkung und vereinbaren daher eine so genannte "Generalklausel" (etwa "Mit diesem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche bereinigt und verglichen".)
Anfechtung möglich
Ein solcher Vergleich kann insbesondere wegen eines arglistig herbeigeführten Irrtums angefochten werden. Arglist beim Vergleich ist bereits dann gegeben, wenn ein Teil über entscheidende Tatsachen Gewissheit hat und dies dem anderen verheimlicht. Ein arglistiges Verschweigen liegt auch dann vor, wenn eine Aufklärungspflicht verletzt wird.
Im Interesse beider Seiten ist es, den Teil der strittigen Ansprüche, der auf Grund des Vergleichs ausbezahlt werden soll, entsprechend zu widmen. Werden beispielsweise restliche Überstunden und eine gesetzliche Abfertigung begehrt und einigen sich die Parteien bloß auf die Höhe der Abfertigung, so ist es empfehlenswert, den Vergleichsbetrag ausdrücklich als gesetzliche Abfertigung zu widmen. Denn die Beitragsfreiheit im Sozialversicherungsrecht und die Besteuerung der Abfertigung mit dem festen, begünstigten Satz ist auch bei einer Zahlung im Vergleichsweg anwendbar.
Der Autor arbeitet in der Wiener Wirtschaftskammer. Die ausführliche Fassung erscheint in der ASoK im Linde-Verlag.