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Lieber sind die anderen schuld

Von Christina Böck

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Schon Erich Kästner wusste: "Das Leben ist immer lebensgefährlich." Und dabei hatte der noch gar nichts gehört vom gegenwärtigen Gerät des Grauens. Die Nachrichten sind voll davon: Mit besonderer Erbarmungslosigkeit geht es vor, erste Institutionen haben es schon mit Bannstrahl belegt: Zuletzt wurde es in Disney-World verboten, zuvor hatten schon Museen weltweit die Notbremse gezogen. Ja, vom Selfie-Stick ist die Rede. Nicht nur wird dem albernen Gestänge mittlerweile auch die Schuld bei Blitzeinschlägen hierzulande gegeben. In Russland hat sich die Polizei der Gefahr angenommen. Sie hat unter dem Motto "Ein cooles Selfie kann dich das Leben kosten" eine Kampagne für sichere Handy-Selbstporträts gestartet. Wer nun denkt, bitte, so viel Hausverstand wird ja noch drin sein, kennt die russischen Akten nicht. Eine Frau hat sich kürzlich versehentlich in den Kopf geschossen, als sie sich mit einer Pistole posierend fotografieren wollte. Zwei Männer hatten dasselbe mit einer entsicherten Handgranate probiert, Folgen: unschön. Übrigens tragen nicht nur Selfie-Stangen zur beschleunigten Hirnausschaltung bei. Die US-Polizei warnte ihre Mitbürger zeitgleich davor, Schutzhüllen auf ihr Smartphone zu pappen, die wie Revolver aussehen.

Das Leben mag immer lebensgefährlich gewesen sein. Aber es soll Zeiten gegeben haben, als man noch mit anderen Menschen geredet hat. Sie gar gefragt hat, ob sie ein Foto von einem machen könnten. Und man war dann wenigstens nicht selbst schuld, wenn die freundlich lächelnd gesagt haben: "Gehn’s doch noch ein Stückl weiter zurück..."