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Lieber Staat als privat?

Von Claudia Peintner

Wirtschaft

Das Rettungspaket für Finanzhäuser sieht im Notfall auch Enteignung vor. | Ist das verfassungsrechtlich erlaubt? | Wien. Wenn dieser Tage Staaten von Italien bis Russland als Retter in der Finanznot Banken und Versicherungen auffangen, dann sei das wirtschaftlich erforderlich, urteilen Finanzexperten rund um den Globus. Doch wie weit darf der Staat rechtlich dabei eingreifen?


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So wie es der Entwurf für das österreichische Finanzmarktstabilitätsgesetz vorsieht, der vergangene Woche vom Ministerrat abgesegnet wurde, kann das sehr weit gehen. Zum einen ermöglicht dieses Gesetz dem Finanzministerium die Übernahme von Haftungen und Verbindlichkeiten eines Rechtsträgers. Aber es heißt auch: "Als letzter Ausweg ist eine zwangsweise Übernahme von Gesellschaftsanteilen - gegen Zahlung einer Entschädigung an die bisherigen Eigentümer - vorgesehen." Anders gesagt: Der Staat kann an einem Bank- oder Versicherungshaus auch zwangsweise - über die Köpfe der Gesellschafter hinweg - Eigentum erwerben.

Der Verfassungsexperte Theo Öhlinger erkennt darin einen "typischen Fall von Enteignung". Bei einer Enteignung wird das Eigentum einer Privatperson auf den Staat übertragen, und dies ist auch gegen den Willen des Eigentümers zulässig. Als Voraussetzung nennt Öhlinger "öffentliches Interesse", was in diesem Zusammenhang gegeben sei. "Banken gelten als sensibler Bereich der Wirtschaft, das öffentliche Interesse besteht darin, den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern", so der Jurist. Er verweist auf das Eisenbahnenteignungsgesetz, das oftmals bei Enteignungsverfahren herangezogen wird - so auch jetzt beim Finanzmarktstabilitätsgesetz. Im 19. Jahrhundert konnte für den Bau der Eisenbahn, den Grundbesitzern die Liegenschaft zur Not auch entzogen werden. Sie erhielten dafür eine Entschädigungssumme.

Auch der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk hält in diesem Zusammenhang den Eingriff des Staates in die Eigentumsrechte nicht für verfassungswidrig. Rechtlich bedenklich seien hingegen die global initiierten Beihilfen der Staaten für die Banken. So muss ein Staat marktkonform handeln und darf nicht durch staatliche Zuwendungen eingreifen und den Wettbewerb steuern. "Wenn ein Staat Unternehmen mit Beihilfen stützt, ist das normalerweise ein klassischer Verstoß gegen das Beihilfenverbot", so Funk. Geht es allerdings darum, Krisen zu bewältigen, dann werde dieses Gesetz außer Kraft treten.

Squeeze-out

"Enteignungen", wie sie im neuen Finanzmarktstabilitätsgesetz vorkommen, sind im Unternehmensrecht schon länger in aller Munde. Dort spricht man von "Squeeze-out".

Ein Aktionär, dem mindestens 90 Prozent an einer Gesellschaft gehören, kann die verbleibenden Mitgesellschafter gegen Zahlung einer angemessenen Barabfindung aus der Gesellschaft drängen. Der Gesellschaftsrechtsexperte Johannes Reich-Rohrwig von der Rechtsanwaltskanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz: "Unternehmen sollen bei der Umstrukturierung und ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht durch Minderheitsaktionäre behindert werden." Es sei ehrlicher, die Gesellschafter mit einer angemessenen Abfindung hinaus zu drängen, als sie später durch unfaire Maßnahmen im Regen stehen zu lassen.