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Liebesspiel oder Vergewaltigung

Von Daniel Bischof

Donauinselfest: Trotz des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung wird der Angeklagte enthaftet.


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Wien. War es ein harmloser Tanz oder eine geschlechtliche Nötigung? War es eine betrunkene Liebelei oder eine versuchte Vergewaltigung? Um diese Fragen dreht sich am Dienstag ein Prozess vor einem Schöffensenat am Wiener Straflandesgericht. Der Angeklagte M. soll am Abend des 24. Juni 2017 am Wiener Donauinselfest eine 21-jährige Frau gegen ihren Willen begrapscht haben. Anschließend soll er versucht haben, sie in ein Gebüsch zu zerren, um sie zu vergewaltigen. Laut Staatsanwaltschaft Wien konnte Schlimmeres nur durch drei Polizisten, die in Zivil Dienst versahen, verhindert werden. Ihnen soll es nur mit erheblicher Anstrengung gelungen sein, den auf der Frau liegenden M. von ihr herunterzuziehen.

Geht es hingegen nach M., der sich nicht schuldig bekennt, war alles nur ein harmloses Lustspiel. Er sei auf dem Donauinselfest gewesen, um Spaß zu haben, erzählt der 19-jährige Afghane mit unaufgeregter Stimme dem Richter. Beim Tanzen vor einer Bühne sei ihm eine Frau aufgefallen.

Freizügig habe sie sich ihm gegenüber verhalten, erzählt der 19-jährige Mann. Man habe getanzt, er habe sie am Hals geküsst: "Sie hat nichts gesagt. Da sie sich nicht geweigert hat, habe ich mir gedacht, sie möchte vielleicht mehr." Nachdem man geschmust und weitergetanzt habe, sei die Frau von der Bühne weggegangen. Er sei ihr gefolgt. Abseits der Bühne, bei einem Abhang, habe er nach ihren Händen gegriffen. "Ich habe sie gefragt, wo sie hingeht", sagt M. Sie habe sich zu ihm umgedreht.

Frau habe spielen wollen

Er habe sich gedacht, dass die Frau betrunken sei und mit ihm ein bisschen spielen wolle. Was er denn unter "spielen" verstehe, fragt eine Schöffin nach. "Dass ich ihr ein bisschen hinterherlaufe", führt M. aus.

Mit der Frau habe er nur weitertanzen wollen: "Ich wollte keinen Geschlechtsverkehr, weil ich in einem Land aufgewachsen bin, in dem sogar das Küssen verboten ist", sagte der gebürtige Afghane, der in Pakistan aufwuchs. Als sich die Frau zu ihm umdrehte, seien beide dann eine Böschung heruntergefallen. "Ein, zwei Sekunden" nach dem Sturz seien auch schon die Polizisten da gewesen, schildert M.

Ein ganz anderes Bild des Vorfalls zeichnet ein Polizist. Das mutmaßliche Opfer - eine slowakische Erasmus-Studentin - sei von mehreren Männern bedrängt und sexuell belästigt worden, sagt ein Beamter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität. Da unbeteiligte Frauen und private Sicherheitskräfte auf die Notlage der Frau hingewiesen haben, sei er mit zwei Kollegen zur "Krone Hit"-Bühne gegangen.

M. habe die Frau umklammert und angetanzt, während sich um die beiden eine "Menschentraube" gebildet habe, um das Paar nach außen hin abzuschotten. Eine Gruppe von 25 bis 30 Afghanen habe die beiden umringt. "Die Erschütterung war groß, weil wir so etwas in Österreich noch nicht wahrgenommen haben."

Da die Bühnenbereiche laut Polizeibericht videoüberwacht sind, müssten die vom Beamten geschilderten Szenen auf Video festgehalten worden sein. Auf den dem Gericht übermittelten Sequenzen sind aber keine strafbaren Handlungen und auch kein Antanzen zu sehen, erklärt der vorsitzende Richter Norbert Gerstberger. Woher diese Diskrepanz herrührt, ist noch unklar.

Ebenfalls noch nicht geklärt ist die Rolle von mehreren Fotos, die Verteidigerin Alexandra Stuefer dem Gericht vorlegt. Sie sollen angeblich vom Facebook-Profil des mutmaßlichen Opfers stammen und die Frau einen Tag nach der Tat fröhlich bei "Hermanns Strandbar" in Wien zeigen. Der Senat will nun klären, ob die Fotos wirklich die 21-Jährige zeigen.

"Finstere Zone"

Der 21-Jährigen, die sich wehrte, sei es jedenfalls gelungen, den Bühnenbereich zu verlassen, sagt der Beamte. Der Angeklagte habe die Frau verfolgt - obwohl sie ihm zu verstehen gegeben habe, dass sie nichts vom ihm wolle. M. habe sie eingeholt, die linke Hand über ihren Kopf gelegt, sie nach unten gedrückt und in ein Gebüsch gezogen: Der Angeklagte habe bewusst Gewalt angewendet, "um sie in eine finstere Zone zu bekommen, wo man nichts sieht". Er sei eingeschritten und habe M. festgenommen, so der Polizist.

Ein Urteil gibt es am Dienstag nicht. Zur Einvernahme des mutmaßlichen Opfers wurde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt. Zum Schluss sorgt das Gericht dann aber noch für eine Wende: Der Schöffensenat gibt dem Enthaftungsantrag von Stuefer Folge. Damit wird M. gegen gelindere Mittel auf freien Fuß gesetzt. Zwar sei der dringende Tatverdacht weiterhin gegeben. Allerdings sei bei einem unbescholtenen Angeklagten in fast noch jugendlichem Alter nicht zwangsläufig anzunehmen, dass dieser erneut strafbare Handlungen begehen wird, erklärt Gerstberger.

Auch soll ein psychiatrisches Gutachten klären, ob der 19-Jährigen zurechnungsfähig ist. In den jugendgerichtlichen Erhebungen finden sich Hinweise auf seine verzögerte sexuelle Reife. Die Enthaftung kommt überraschend, da M. unmittelbar nach dem Vorfall auf freiem Fuß angezeigt wurde und nicht in Untersuchungshaft genommen wurde. Erst nach heftiger Kritik an dieser Entscheidung wurde M. aufgrund eines gerichtlichen Haftbefehls dann doch verhaftet. Nun befindet er sich erneut auf freiem Fuß.