Die internationale Arbeitsteilung verträgt keinen Vorschlaghammer.
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"Menschenrechte kennen keine Grenzen" - unter diesem Titel wurde jüngst in einem Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" von international tätigen Unternehmen die gesetzliche Haftung für ausbeuterische Arbeitsbedingungen entlang globaler Lieferketten verlangt, mit Verweis auf grausliche Fakten wie Kinderarbeit, Sklavenwirtschaft, einstürzende Fabriken und Umweltsünden. Was als Forderung so sympathisch wie simpel klingt, ist in der Realität eine hochkomplexe Frage, deren Facetten hier nur angedeutet werden können.
Die internationale Arbeitsteilung erlaubt es ärmeren Volkswirtschaften, den Wohlstand ihrer Bürger durch Exporte zu erhöhen, wie insbesondere die asiatischen Länder, allen voran China, belegen. Dieser Prozess funktioniert nur, wenn die Herstellung von Waren in diesen Ländern kostengünstiger als in den Industriestaaten erfolgt. Dies umso mehr, als die rasch voranschreitende Roboterisierung ohnehin die Attraktivität von Produktionsverlagerungen aus den Industriestaaten reduziert. Weniger entwickelten Ländern den Industriestaaten vergleichbare Regulierungs- und Kostenstrukturen aufzuzwingen, wäre daher kontraproduktiv. Diese Feststellung kann selbstverständlich keine der erwähnten Grauslichkeiten rechtfertigen.
Auch die Bezugsländer profitieren dabei von günstigeren Preisen im Vergleich zu nationaler Beschaffung, was vor allem den ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommt. Globalisierung ist kein Nullsummenspiel, bei dem ein Land gewinnt, was das andere verliert.
Ein fundamentaler Grundsatz wird im gegenwärtigen Klima der Regulierungswut vergessen: In erster Linie sind die Staaten selbst für die "Sauberkeit" der auf ihrem Territorium stattfindenden Wirtschaftsaktivitäten verantwortlich, ob es sich nun um Bauordnungen, Mindestlöhne, das Verbot von Kinderarbeit oder Umweltschutz handelt. Vernachlässigen sie ihre Pflichten, ist es Aufgabe der Staatengemeinschaft, entsprechenden Druck auf diese Länder auszuüben, der Hebel dafür gibt es genug.
Die realen Chancen, internationale Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen, sind beschränkt, wenn ein solches nicht selbst eine Fabrik betreibt, sondern einfach Vorprodukte bei lokalen Unternehmern einkauft oder fertigen lässt. Die Überwachung von Lieferketten in entfernten Regionen und die Beschaffung gerichtsfester Beweise werden nahezu unmöglich, wenn lokale Subunternehmer selbst weitere Zulieferer, noch dazu aus Drittländern, einsetzen. Insbesondere kleinere Firmen wären damit überfordert und werden daher von solchen Regelungen ausgenommen; vergleiche etwa das "vorsichtige" französische Gesetz ("Loi de vigilance") von 2017.
Unterschiedliche nationale Lieferkettengesetze, wie in Deutschland und Österreich in Arbeit, sind jedenfalls ein Unding, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Wirtschaftsstandorte im Bereich der Industriestaaten verändern. Es bedarf daher einer - bereits geplanten - EU-einheitlichen Regelung in Abstimmung mit den USA und letztendlich mit den G20. Das klingt gar nicht mehr so utopisch, seit US-Finanzministerin Janet Yellen sich für weltweit abgestimmte Mindestunternehmenssteuern starkmacht.